La Pivellina Österreich, Italien 2009 – 100min.
Filmkritik
Willkommen im Leben
Das berühmte dänische "Dogma"-Manifest wurde vor fünf Jahren offiziell für beendet erklärt. Trotzdem hat sich der österreichische Spielfilm "La Pivellina" teilweise dem cineastischen Keuschheitsgelübde unterworfen, um der Wirklichkeitsentfremdung des Kinos entgegenzuarbeiten.
Es ist Winter in Rom. Am Stadtrand haben die Zirkusartisten Patrizia und Walter einen Platz für ihre Wohnwägen gefunden. Bei einem Spaziergang entdeckt Patrizia auf einem Spielplatz ein allein gelassenes zweijähriges Mädchen. Sie nimmt die Kleine mit nach Hause, und zusammen mit dem Nachbarsjungen Tairo kümmert sich das Paar um sie. Anfangs sucht man noch nach der Mutter, aber mit jedem Tag wird die Hoffnung grösser, die Kleine könne für immer bleiben.
Auf der Diagonale 2010, dem Festival des österreichischen Films, erhielt "La Pivellina" den Preis für den besten Spielfilm. Dabei haben die Dokumentarfilmer Tizza Covi und Rainer Frimmel bei ihrem ersten Spielfilm nur einen kleinen Schritt in Richtung Fiktion gemacht: In ihrem Dokumentarfilm "Babooska" haben sie das Zirkuspaar Patrizia und Walter getroffen und gemeinsam mit ihnen die Geschichte für "La Pivellina" entwickelt. Dabei standen einzig der Anfang und das Ende konkret fest, der Rest wurde während des Drehs entwickelt. So sind auch die Dialoge bis auf ein paar lenkende Stichpunkte improvisiert.
Es ist der dokumentarische Ansatz, der den sonderbaren Sog des Films ausmacht. Der ausschließliche Einsatz der Handkamera und der Verzicht auf künstliches Licht ist kein bloßes Stilmittel, sondern dient der Entwicklung der Geschichte. Denn damit wird eine besondere Intimität und Nähe geschaffen, ohne in Voyeurismus zu verfallen. Behutsam erzählen Covi und Frimmel ihre Geschichte, die weniger einem stringenten Verlauf folgt, als vielmehr ein Prisma von Momentaufnahmen darstellt. Und eben diese Direktheit der Bilder, der ungeschönte Einblick in das Leben der Zirkusfamilie, stilisiert diese nicht zu seltsamen Freaks oder White-Trash-Stereotypen, sondern wandelt sie mit entwaffnender Ehrlichkeit zu vertrauten Sympathieträgern.
Überhaupt lebt der Film von der Kraft seiner Laiendarsteller, die durch eine unglaubliche Natürlichkeit, Charisma und Mutterwitz zu überzeugen wissen. Die geschickte Einbindung der realen Personen in den fiktiven Rahmen und das spürbar warme Miteinander des Ensembles lassen "La Pivellina" nah an der Wirklichkeit bleiben. Ein ruhiger und minimalistischer Film, der eben aufgrund seiner Unaufgeregtheit fasziniert und bewegt.
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