Der Vater meiner Kinder Frankreich, Deutschland 2009 – 111min.

Filmkritik

Lebenskrisengipfel

Filmkritik: Eduard Ulrich

Mia Hansen-Løve wurde zu ihrem zweiten Spielfilm durch den Selbstmord des Produzenten Humbert Balsan angeregt, der sogar einen Film mit ihr produzieren wollte. Das ambitionierte Werk profitiert vor allem von ihrer intimen Kenntnis des Milieus. In Cannes wurde es in der Sektion "Un certain regard" mit dem Jurypreis ausgezeichnet.

Auch wenn die Finanzkrise erst am Horizont aufzog, als der Film schon im Kasten war: Dem unabhängigen Filmproduzenten Grégoire steht das Wasser bis zum Hals, und seine bisherigen Geldgeber verlieren zusehends die Geduld - heutzutage ein bekanntes Phänomen, vor einigen Jahren unüblich. Da hat die Kunst in ihrer Zuspitzung wieder mal die Zukunft getroffen.

Grégoire (Louis-Do de Lencquesaing) ist in den besten Jahren, hat eine kluge und liebevolle Frau, zwei lebenslustige Kinder, aber wenig Zeit für sie, denn sogar im Landhaus hängt er viel geschäftlich am Telefon. Seine Frau verliert ob dieser permanenten Berufstätigkeit langsam die Geduld, und auch die engsten MitarbeiterInnen verlieren die Motivation angesichts der ausbleibenden Erfolge und der zunehmenden Schwierigkeiten. Für einen unermüdlichen Schaffer, der sogar sein Privat- dem Berufsleben unterordnet, geht diese Krise an die Existenz. So weist er den Vorschlag aufzugeben weit von sich, auch wenn niemand eine realistische Perspektive sieht.

Mia Hansen-Löwe arbeitete nach ihrer Ausbildung als Filmkritikerin und drehte einige Kurzfilme. Sie schrieb das Drehbuch selbst, und man merkt, dass sie die Gepflogenheiten der Branche bestens kennt. Wenn ein schwedischer Jungregisseur karikiert wird, darf man raten, wer da sein Fett abkriegt, und wenn dann noch die russischen Geldgeber in der Not einfahren und verlangen, dass der Rest des Films in Russland und mit russischen Komparsen gedreht wird - alles ganz billig, wie sie versichern. Da werden die heutigen Produktionsbedingungen durch den Kakao gezogen. Hoffentlich hat sie da nicht eigene Erfahrungen verarbeitet.

Ihr gelingt es jedenfalls, einen extremen Gegensatz zu schaffen: Das Leben bis zum Höhepunkt der Krise auf der einen Seite, hektisch, turbulent, improvisiert, von Überraschungen geprägt. Danach das pure Gegenteil. Die beiden Hauptdarsteller sind erfahren und werden ihrer Aufgabe gerecht. Dennoch entwickelt die Geschichte keinen starken Sog, was auch daran liegen mag, dass es keine Figur gibt, mit der man sich leicht identifizieren kann. Erfreulich ist aber die Realitätsnähe der Handlung, die auf unehrliche Schönfärberei verzichtet.

17.02.2024

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