Filmkritik
Gute Zeiten, Schlechte Zeiten
Ein Dokumentarfilm begleitet drei Jugendliche aus Bündner Bergdörfern beim Gang an das Gymnasium in Chur. Thematisiert werden die Ängste und Sorgen von ganz normalen Teenagern, in einer aussergewöhnlichen Situation.
Flurina wird es irgendwann im Laufe des Films zu viel: Die Integration im Wohnheim klappt nicht wie sie es sich vorgestellt hatte, die Trennung von den Eltern macht dem Mädchen mehr zu schaffen als sie sich eingesteht und dann ist da auch noch dieses unsägliche Filmteam, dass einem überallhin folgt. Es sind Szenen wie diese, die "Maurus, Nadia, Flurina" so authentisch machen. Filmemacher Ivo Zen macht auch sich und sein Projekt zum Thema und macht so dem Zuschauer bewusst, dass bei einem Dokumentarfilm stets eine Kamera auf den Dokumentierten gerichtet ist. So banal sich diese Einsicht anhört, so oft wird sie einem bei anderen Dokus verweigert, weil dem Publikum eine Vogelperspektive vorgegaukelt wird. Im Film von Zen wird gezeigt, dass die Omnipräsenz der Kamera für die Protagonisten nicht immer einfach ist. Umso mehr, wenn sich diese in der Pubertät befinden.
Vignon, Landarenca und Surcasti heissen die Dörfer aus denen die Jugendlichen kommen, die unter der Woche im Wohnheim "Konvikt" in Chur eine neue Heimat finden. Die Sekundarschule besuchten sie in ihren Bergdörfern, fürs Gymnasium müssen sie nun eine Station weiter. Mit 15,16 Jahren das Elternhaus verlassen, um mit Gleichaltrigen zusammenzuwohnen, das mag für viele (Unterländer) Tennies verlockend klingen, doch der Dok zeigt auch die Ängste und Sorgen der Heranwachsenden ("Finde ich leicht neue Freunde?", "Verliere ich meine alten Kontakte?", "Schaffe ich die Schule?") und die sind von Zürich Altstetten bis Scuol-Tarasp genau gleich.
Mit vorgelesenen Tagebucheinträgen, Interviews und gezeigten Alltagssituationen im Wohnheim, gelingt es dem Film in seinen kurzen sechzig Minuten das Leben der Teenies gut zu dokumentieren. Dafür verzichtet Ivo Zen ganz auf gesellschaftspolitische Bezüge. Doch besonders die Abwanderungsthematik, die die Existenz vieler Berggemeinden bedroht, wäre zumindest erwähnenswert gewesen. Dafür bleibt die Kamera zu sehr auf Maurus, Nadia und Flurina fixiert, was zumindest der einen gar nicht gefällt.
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