Filmkritik
Ein Krampf
Filme wie "Der Untergang" oder "Mein Führer" sorgen regelmässig für gehässige Debatten darüber, ob man angesichts des Grauens des Zweiten Weltkriegs Adolf Hitler "als Menschen" darstellen und über ihn sogar lachen darf. Es sind jeweils höchst unergiebige Diskussionen, denn wenn das Ergebnis - also der Film - gelungen ist, darf man eigentlich fast alles. Allerdings: Bei den Filmen von Oliver Hirschbiegel und Dani Levy war das nicht Fall. Und bei Urs Odermatts Verfilmung George Taboris gleichnamigem Theaterstücks sieht's leider nicht viel besser aus.
Aber hübsch der Reihe: "Mein Kampf" erzählt, wie sich der erfolglose junge Kunstmaler Adolf Hitler (Tom Schilling) zu jenem bösartigen Wahnsinnigen wandelt, als den wir ihn heute kennen. Eben erst aus der österreichischen Provinz angereist, schlägt Hitler, der die Aufnahme an die Kunstakademie anstrebt, sein Quartier in einem Wiener Männerasyl auf, wo er auf die beiden Juden Schlomo Herzl (Götz George) und Lobkowitz (Bernd Birkhahn) trifft. Obwohl Hitlers Judenhass bereits beträchtlich ist, nimmt sich Herzl des Bürschchens an, das ständig zwischen Hilflosigkeit und Grössenwahn schwankt; er tröstet ihn, als es es mit Kunstausbildung nicht klappt, verpasst ihm eine neue Frisur und bringt ihn am Ende sogar auf die Idee, in die Politik zu gehen. Und hier liegt die böse Ironie der Geschichte: Am Ende ist es ein menschenfreundlicher Jude, der das Monster Hitler erschafft.
Der 2007 verstorbene George Tabori galt als Legende des deutschsprachigen Theaters; der gebürtige Ungar, der in den Dreissigern aus Berlin emigrierte und über England und die USA wieder nach Deutschland zurückkam, pflegte ein absurd-komisches Theater, in dem die Schrecken der Geschichte in schwarzen Humor übergingen. «Mein Kampf», eines seiner berühmtesten Stücke, ist ein typisches Beispiel für diese Technik.
Ich habe Taboris Stück nie auf der Bühne gesehen, insofern verbietet sich ein Vergleich. Doch zumindest in Odermatts Film wirkt das Arrangement über weite Strecken eher peinlich bemühend als komisch. Das beginnt beim Text, der Hitler auf einen sexuell frustrierten Grössenwahnsinnigen reuduziert; das ist weder originell noch witzig, sondern nur abgeschmackt. Doch die eigentliche Schwäche des Films liegt wahrscheinlich in seinem falsch verstandenen Realismus, der zu grossen Wert auf historische Kulissen und Kostüme legt und dadurch eine umso grössere Dissonanz zum absurden Inhalt schafft. Hier würde wahrscheinlich just die Stärke einer Bühneninszenierung liegen, die ja immer mit Stilisierungen arbeiten muss.
Odermatt gelingt es aber nicht, ein visuelles Gegenstück zur grotesken Handlung zu finden, was das ganze Projekt fragwürdig erscheinen lässt. Und schliesslich ist auch Götz George in diesem Film grandios falsch besetzt. Während Schilling seine schwierige Rolle erstaunlich gut meistert, scheint George nie recht zu wissen, was er mit seiner Figur anfangen soll. Und wie ein österreichischer Jude spricht, wissen offensichtlich weder er noch Odermatt.
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