Räuberinnen Luxemburg, Schweiz 2009 – 90min.
Filmkritik
Klimbim im Märchenwald
Vor dem Kinostart bereits als "Tittenchilbi" mal geschmäht, mal lechzend begafft, tapsen die Heldinnen im Spielfilm-Debüt der provokanten Zürcher Regisseurin Carla Lia Monti, von einer einfallslosen Dramaturgie und Dialog-Regie weitgehend allein gelassen, hilflos durch eine überladene Kitsch-Trash-Märchenkulisse
"Obszöner Raubzug" titelte das Tagblatt. "Auf den Schwanz getreten" der Landbote. "Deftig, plump und sterbenslangweilig" wetterte die NZZ Online, nachdem Carla Lia Montis erster Langfilm im Januar auf den Solothurner Filmtagen gelaufen war. Das "Skandälchen" (Tages-Anzeiger) war schon vor dem offiziellen Kinostart perfekt - doch wer sind eigentlich diese "RäuberInnen" der Zürcher Regisseurin?
In erster Linie sind sie ProtagonistInnen in einem quietschbunten, überladenen und reichlich kindischen Film, der eine denkbar simple Märchenstory, sehr lose angelehnt an Schillers Theaterstück, mit standardisierten Tabubrüchen und einigen bekannten Gesichtern aus der Schweizer Film- und Fernsehlandschaft anreichert. Eine schöne, blonde, verarmte Adlige liebt einen ebenso schönen, mittellosen Jüngling, soll aber von ihrer bösen, intriganten Mutter, die ein S/M-Verhältnis mit dem perversen Fürsten führt, an einen reichen Fettsack verheiratet werden. Sie flieht, muss sich vor Räubern in Acht nehmen, organisiert dann mit den Huren aus dem Waldbordell ihre eigene Räuberinnen-Bande, und am Ende - na ja, wie das im Märchen eben so ist. Dazu gibt's jede Menge Theaterblut und nacktes weißes Wabbelfleisch, eine rausgerissene Zunge, ein durchbohrtes Herz, sprechende abgehackte Köpfe, ein Stöckelschuh auf einem Mini-Schwanz und ein paar abgeschnittene Hoden.
Das Setting aus Mittelalter mit modernen Einsprengseln wie Hometrainer oder grotesk großen Mobiltelefonen, kitschig gemalten Hintergründen und Klamauk ist barock, billig und vor allem "camp". Doch Assoziationen zu ebenso opulenten Filmen von John Waters, Wenzel Storch, Pier Paolo Pasolini, Federico Fellini oder Peter Greenaway wollen sich beim besten Willen nicht einstellen. Denn die "Gags" in einem immerhin interessanten Akzent-Gemisch aus Hochdeutsch, Schweizerdeutsch, Österreichisch und Lëtzebuergesch sind so derbe, wie sie flach sind, und auch das, was als politische Satire zu Themen wie Rassismus oder Gleichberechtigung gemeint sein mag, erreicht ungefähr das Subtilitäts-Niveau von "Klimbim" (falls sich noch jemand daran erinnert).
Natürlich muss man Montis Film, der immerhin Themen wie Emanzipation und Schönheitsideale aufgreift und dabei herrschende Diskurse zumindest teilweise durchkreuzt, vehement gegen die Geiferer, die ihre "religiösen" oder "moralischen" Gefühle verletzt sehen und ihr am liebsten die Filmförderung wieder aus der Tasche ziehen würden, in Schutz nehmen. Irgendwie ist es ja auch herzerwärmend, wenn man auch heute noch, wo alle wirklich schon alles gesehen haben, mit einem relativ banalen Abhaken klassischer Tabubrüche - Blasphemie, S/M-Sex, nackte Dicke etc. - solch eine Empörung generieren kann. Schön wäre es nur gewesen, wenn der künstlerische Gehalt des Films, der so gerne anarchisch sein will, dabei aber nur mit dramaturgisch armen Mitteln eine sexualisierte Kinderfantasie nacherzählt, mehr Substanz für eine wirkliche Auseinandersetzung bieten würde.
Dein Film-Rating
Kommentare
Die schweizer Filmindustrie setzt sich damit einfach nur selbst in ein schlechtes Licht...
Die schweizer Filmindustrie setzt sich damit einfach nur selbst in ein schlechtes Licht... Dieser Film scheint absichtlich so schlecht produziert zu sein...
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung