Filmkritik
Requiem auf den Regenwald
2010 wurde von der UNO zum Jahr der Artenvielfalt erklärt. Dass auch menschliche Lebensarten aussterben können, wurde dabei allerdings nicht berücksichtigt. Die ethnologisch fokussierte Schweizer Filmemacherin Lisa Faessler forscht und filmt seit vielen Jahren in Ecuador und bringt Aufnahmen mit, die beide Phänomene dokumentieren.
Schön oder unterhaltend ist das wahrlich nicht, was Lisa Faessler mit den übersichtlichen Bildern vom Trans-Cutucú erzählt. Da wird der Regenwald in großem Stile maschinell abgeholzt, Nutztiere werden geschunden, die Ureinwohner vertrieben und überhaupt: Das menschliche Leben in dieser Bergregion ist doch ziemlich rudimentär. Prinzipiell sehen wir nichts, was wir nicht schon wüssten oder uns denken könnten - abgesehen von einem sehr persönlichen Portrait eines eingeborenen Medizinmanns, dessen Kampfvorbereitungsritual genauso lächerlich erscheint wie die Gebetsrituale in den Vereinigten Staaten vor und nach großen Waffengängen. Tempi passati, heute zählt nur noch die Motorsäge.
Man wird deshalb den Eindruck nicht los, dass es immer so weitergehen wird: Der Regenwald wird abgeholzt, Filme dokumentieren die Probleme, Wissenschaftler warnen vor den Folgen, die Europäer reklamieren, der Rest der Welt greift zu und sichert sich Rohstoffe und Bodenschätze, solang es noch welche gibt. Man fragt sich unwillkürlich, ob es nicht besser wäre, konkrete Hilfsaktionen resp. Blockadeaktionen analog zum Kampfes gegen den Walfang zu initiieren, statt auf die unermessliche Zerstörung der ökologischen Lunge aufmerksam zu machen.
Aber Lisa Faesslers Waffen sind nun einmal Bilder, Gespräche und Kommentare. Sie nutzt ihren 1986 gedrehten Film "Shuar", in dem sie dieselbe Region und teilweise dieselben Personen gezeigt hat, und stellt einige Ausschnitte aus diesem Schwarzweißfilm den aktuellen, farbigen Bildern gegenüber. Dabei erfasst ihr ethnologisch geschulter Blick zwar wichtige Aspekte der Entwicklung, aber einen Spannungsbogen hat sie nicht geformt. Das ist bei der Dauer von nur 82 Minuten aber kein gravierender Nachteil.
Ein Glücksfall hingegen ist Pio Corradis Kameraarbeit: Sämtliche Bilder und Einstellungen sind natürlich und klar. Da stimmen Distanz, Schärfe und Blickrichtung, was einem das Hinsehen erleichtert, wenn schon der Inhalt meist schmerzlich ist. Angenehm und klug ist auch, dass Lisa Faessler mit Fakten sparsam umgeht. Bilder und Personen sprechen für sich, nie wird man zugetextet.
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