The Doors - When you're strange USA 2009 – 86min.

Filmkritik

Zwischen Himmel und Hölle

Björn Schäffner
Filmkritik: Björn Schäffner

Der New Yorker Filmemacher Tom Di Cillo hat einen Dokumentarfilm über "The Doors" abgedreht. Nichts Neues aus der Welt des Rock'n'Roll? Keineswegs.

Ausgerechnet die "Doors". Jedes erdenkliche Detail aus dem Leben von Jim Morrison und seiner Bandkollegen ist in über einem Dutzend Biographien vermessen worden, und da gab es diesen (mässig gealterten) Film von Oliver Stone, den der Kritiker Anfang der Neunziger mehrmals gesehen hat. Es ist ja wirklich nicht so, dass man über die Doors noch viel zu entdecken meinte. Eine Geschichte von Exzess und Ruhm? Das Amerika der 60er zwischen Prüderie und Hippietum? Morrison, der Psychedeliker und Neo-Schamane? Die Groupies, die Hits, der Rock'n'Roll? Kennt man, hat man gesehen. Oder zumindest glaubte man das bislang.

Umso überraschender ist das Filmmaterial, das Tom DiCillo in seiner Doors-Dokumentation "When You're Strange" präsentiert: Es zeigt die Band im Studio, auf der Bühne und Backstage. Und gewährt dabei grosse Einblicke, natürlich vor allem zur Persona von Jim Morrison, diesem grossen Spinner und Sexgott. Regisseur DiCillo hat schon immer das Thema interessiert: Was macht einen Star aus? In "Delirious" aus dem Jahre 2006 etwa gerät ein von Michael Pitt gespielter Obdachloser unvermittelt in den Sog von Glanz und Gloria. Gut passt in diesen Rock-Duktus auch, dass in DiCillos Film Johnny Depp die Erzählstimme gibt: eben jener Depp, der mit 15 die Highschool abbrach, um Rockmusiker zu werden und in dessen Rock-Club "The Viper Room" einst der Jungstar River Phoenix an einer Überdosis starb.

Es sind die Szenen, in denen Jim Morrison sein Charisma förmlich in die Kamera versprüht, die diesen Film ausmachen. Einmal sehen wir, wie ein weiblicher Fan von hinten seine Locken zu erhaschen sucht. Morrison spürt die Berührung der Finger, auf seinem Gesicht ein Moment der Überraschung, dann ein Ausdruck, der zwischen kindlicher Freude und sexueller Spannung pendelt.

Wir sehen Jim, der wie ein glücksbedröhnter Messias durch die Backrooms wankt, die Sätze vor sich hin brabbelt und kurioserweise doch alles unter Kontrolle zu haben scheint. Ein Meister des Moments. Kein Naturtalent, sondern ein Naturgenie. Später dann wirkt Morrison unter dem Einfluss des Alkohols zunehmend fratzenartig. Als Jimbo, wie ihn sein Bandkollege Ray Manzarek einst genannt hat, lässt er seine dunklen Seiten raus. Ist launisch, verwirrt, beschimpft sein Publikum.

Man mag DiCillos Film ankreiden, dass der Erzähler stellenweise etwas gar pathetisch raunt. Oder dass er die Karriere dieser grossen Sixties-Band schon fast schulbuchmässig durchwälzt. Und doch ist dem New Yorker mit "When You're Strange" eine eindrückliche, gleichsam distanziert beobachtende Rock'n'Roll-Collage gelungen.

13.05.2024

4

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Kommentare

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pantoffelhero

vor 14 Jahren

und zuhören... only listening


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