180° - Wenn deine Welt plötzlich Kopf steht Deutschland, Schweiz 2010 – 96min.
Filmkritik
Wenn der Alltag Kopf steht
Das Leben einer Handvoll Menschen wird von heute auf morgen auf den Kopf gestellt. Alles beginnt mit dem Amoklauf eines Bürokraten. Der Berner Filmautor Cihan Inan bündelt verschiedene Schicksale und bringt es damit auf den Punkt: Sein Episodenfilm in Altman-Manier entpuppt sich als spannendes und vielschichtiges Zeitbild.
Ein Yuppie-Paar rauscht euphorisch über den Asphalt. Unbedacht und unaufmerksam für Sekunden. Und schon ist es passiert. Das Auto erfasst zwei Teenager, die miteinander flirten. Das Mädchen stirbt, der türkische Junge Kemal (Umut Yildirim) liegt im Koma. Krankenschwester Marion (Sophie Rois), die Mutter des Mädchens, ist verzweifelt. Ihr Mann Manfred (Michael Neuenschwander), ein Professor, der beinahe den Avancen einer Studentin erliegt, fühlt sich mitschuldig, weil er sich zu wenig um die Familie kümmerte, nur sein eigenes Leben im Sinn hat. Petra (Sabine Timoteo) versucht ihre Kollegin Marion zu trösten.
Die Familie des angefahrenen Kemals, in sich zerrissen, wartet fassungslos und wütend am Bett auf das Erwachen des geliebten Sohnes. Özlem (Asli Bayram), die erwachsene Schwester, nimmt ihr Leben selber in die Hand und gibt dem Werben ihres Schweizer Geliebten nach: Sie geht mit ihm ins Bett. Ihre Eltern Ülker (Siir Eloglu) und Ahmed (Güven Kirac) erfahren, dass Kemal mit einem Schweizer Mädchen befreundet ist, der Toten. Und dann geistert er (Christopher Buchholz, Sohn des bekannten Schauspielers Horst Buchholz) in der Stadt herum - der Amokläufer, der Kollegen erschossen hat.
Schauplatz Zürich. Es brodelt unter der Oberfläche. Menschen geraten aus der alltäglichen Bahn. Ihr Leben wird durch Ereignisse oder eigene Entscheidungen auf den Kopf gestellt. Angst, Wut, Verzweiflung machen sich breit, aber es findet sich auch die Kraft, einander zu helfen, neue Hoffnung zu schöpfen, das Leben nach Schicksalsschlägen wieder in den Griff zu bekommen.
Autor und Regisseur Cihan Inan, 1969 in Bern geboren, vernetzt die unterschiedlichen Schicksale zu einem eindrücklichen Zeitbild. Wie Robert Altman spinnt er die Fäden zu einer dichten Momentaufnahme - über Menschen in Extremsituationen. Wenn der Amokläufer, der quasi den roten Faden in der Ereigniskette bildet, an der Elbe bei Hamburg ergriffen wird und die Welt aus seiner Perspektive auf dem Kopf stehen sieht, scheint das Leben wieder in normale Bahnen zurückzukehren. Inan führt ein exzellentes Schauspielerensemble auf den Punkt - von Extremis in Normallage, musikalisch hervorragend unterstützt von den Geschwistern Baldenweg, Diego, Nora und Lionel Vincent, die in Locarno für ihre Filmmusik mit dem Suisa-Preis ausgezeichnet wurden.
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Kommentare
Die Storys sind sehr tragisch und reallischtisch geschrieben. Das zusammen Leben der Deutschen Türken und uns Schweizern hier in der Schweiz ist von den Darstellern auch sehr reallischtisch dargestellt. Die Filmmusik untermalt das ganze Famos.
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