Biutiful Mexiko, Spanien 2010 – 147min.
Filmkritik
Jesus lernt sterben
Erträgt man es, jemandem zwei Stunden lang zuzusehen, der sich gegen den Tod wehrt? Wenn Javier Bardem versucht, mit sich und der Welt ins Reine zu kommen, ist es eindrucksvoll, und Cannes prämierte ihn dafür als besten Hauptdarsteller. Die Geschichte darum ist allerdings unnötig mystisch und emotional befrachtet.
Barcelona, die Stadt der lateinamerikanischen Einwanderer, der Chinesen und Schwarzen? Da lebt Uxbal (Javier Bardem) als Schmiermittel der Schattenwirtschaft: Er vermittelt illegale chinesische Arbeitskräfte an geldgierige Unternehmer, übermittelt Schweigegeld an die Polizei und beliefert Straßenhändler mit Ramsch und Kopien. Ein Zubrot verdient er als Medium, das die letzten Worte eben Verstorbener den nächsten Angehörigen mitteilt.
Er hat eine gerade schulpflichtige Tochter, einen etwas jüngeren Sohn, eine geschiedene, psychisch kranke Frau, einen skrupellosen Bruder, und schon bald wissen wir und er, dass er physisch krank ist. Während Bardem in No Country For Old Men als Auftragsmörder herumgeisterte, dem der Auftrag abhanden gekommen war, was dem Morden aber eher Schub verlieh, und man seinen zahlreichen Opfern beim Sterben zusehen musste, geht es ihm nun selbst mehrfach an den Kragen: organisatorisch, wirtschaftlich, emotional, gesundheitlich und ideell.
Seine schwarzen Straßenhändler halten sich nicht an die Spielregeln, seine chinesischen Produzenten liefern keine Qualität, seine Ex reißt alte Wunden auf, und die medizinische Diagnose gleicht einem Todesurteil. Nun muss er aufräumen und vorsorgen, seine Kinder bedeuten ihm alles. Vielleicht ist er deshalb menschlich geblieben. Seine geschäftlichen und privaten Partner sind es jedenfalls nicht mehr, die Staatsgewalt war es wohl nie. Er begibt sich auf einen Leidensweg biblischer Art, krankheitsbedingt zur Keuschheit verdammt, umgeben von Rücksichtslosigkeit.
Alejandro González Iñárritu entwickelte diese Geschichte selbst und schrieb das Drehbuch mit Armando Bo und Nicolás Giacobene. Diesmal ist es keine Kombination von Parallelgeschichten, sondern eine einzige Wesentliche, die zirkulär-linear erzählt wird - auch für die Ohren: Klänge und Musik sind von erlesener Qualität und werden mehrmals bruchlos integriert thematisiert. Iñárritu ist mit seinem Zielfoto eines heutigen Selbsterlösers am Puls der Zeit: Globalisierung, Migration, Parallelgesellschaften, Armut, Egoismus, Verantwortungslosigkeit, Flucht in Mystik. Doch hat er dieses Bild nicht mit Photoshop aufgehübscht. Der Blick darauf kann weh tun, "biutiful" ist das nicht.
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Kommentare
Trotz eines überzeugenden Bardem, der zündende Funke wollte bei mir einfach nicht rüberspringen.
Der Film zieht einem wirklich runter: -( Ich finde, er ist etwas übertrieben dargestellt. Ich hätte von Alejandro Gonzales Inarritu mehr erwartet, nach seinen Meisterwerken "Babel" und "21 Gramm".
Schade, da vermag auch ein Javier Bardem die Story nicht mehr zu toppen. Und zu alledem war der Film auch noch zu lange und langatmig.… Mehr anzeigen
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