CH.FILM

Cleveland vs. Wall Street Frankreich, Schweiz 2010 – 98min.

Filmkritik

Wenn Banken Amok laufen

Geri Krebs
Filmkritik: Geri Krebs

Die Doku-Fiktion des Westschweizer Regisseurs Jean-Stephane Bron vermittelt in der Form eines klassischen Gerichtsfilms die Mechanismen der Subprime-Krise in den USA. Das ist spannend, erhellend und originell - und ohne belehrt worden zu sein, verlässt man den Kinosaal klüger als zuvor.

"Save the American Dream" hiess Jean-Stéphane Brons Projekt ursprünglich. Die Idee war, den "Kapitalismus in Aktion" zu filmen, und materialisert fand er sie in der Klage der Stadtregierung von Cleveland im Januar 2008 gegen 21 Banken, vorwiegend an der New Yorker Wall Street domiziliert. In Cleveland waren damals in kurzer Zeit 20'000 Familien obdachlos geworden, weil sie wegen Insolvenz die Hypotheken auf ihre Eigenheime nicht mehr bezahlten und schliesslich zwangsgeräumt wurden. Begründet wurde die Strafklage vor allem damit, dass für die Bewachung geräumter und verfallender Häuser der Stadt immense Kosten anfielen, die man doch bitte den Verursachern überwälzen solle. Doch die Banken hintertrieben das Ansinnen erfolgreich, der Prozess fand nie statt.

Aber Bron sagte sich: Wenn es den Prozess nicht gibt, so gibt es doch die Akteure. So lässt er sie in einem fiktiven Prozess aufeinander treffen: Einen Anwalt der Banken, die Stadtväter von Cleveland, die Opfer der Räumungen, einen Polizisten mit einschlägiger Räumungserfahrung, einen Richter. In diesen hoch spannenden Aussagen und Plädoyers geht es im Wesentlichen um die Frage: Waren jene sozial schwachen Kreditnehmer urteilsfähig, als sie sich zu Hypotheken für ein Eigenheim überreden liessen, bei denen jedem vernünftigen Menschen klar sein musste, dass sie nicht zurückzahlbar waren - oder gab es von Beginn weg nur die kriminelle Energie seitens der Banken, die zugunsten kurzfristigen Profits elementarste Grundsätze missachteten? Am eindrücklichsten kommt dieser Widerspruch in der Person des Maklers und früheren Drogendealers Keith Taylor zum Ausdruck. Im Slumquartier Slavic Village von Cleveland, wo er einst selber lebte, schloss er auf Provisionsbasis Kaufverträge mit Leuten ab, die von der Sozialhilfe lebten.

Ganz wie in einem Gerichtsfilm prallen die Sichtweisen aufeinander, und der Regisseur unterlässt es bewusst, ein eindeutiges Urteil zu fällen. Eindeutig ist er nur am Ende, wo eine Aktivistin aus Cleveland Obamas Wahlversprechen jener Realität gegenüberstellt, dass auch unter seiner Regierung die Zwangsräumungen weiter gehen. Das ist so klug wie zurückhaltend in einem Film, der visuell zwar unglaublich spröde ist. Aber das stört nicht, denn die Voten sind so spannend und dramaturgisch geschickt aufgebaut, dass man während 90 Minuten glatt vergisst, dass man - abgesehen von eine paar wenigen kurzen Kamerafahrten durch die Ruinen von Slavic Village nur Talking Heads auf der Leinwand zu sehen bekommt.

07.05.2021

5

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Kommentare

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jamey80

vor 11 Jahren

Dieser Film hat mich sehr gepackt. Spannende Story. Würd ich mir wieder ansehen.


kingfisher

vor 14 Jahren

Für mich der Film des Monats! Spannend und klug. Ein begabter Regisseur auf dessen nächste Filmprojekte ich mich sehr freue!


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