Der König von Bastoy Frankreich, Norwegen, Polen, Schweden 2010 – 115min.

Filmkritik

Was lange gärt, wird endlich Blut

Filmkritik: Eduard Ulrich

Jede Gesellschaft hat noch Leichen im Keller; eine norwegische zerrt Marius Holst ans Licht und setzt sie konventionell, aber mit sehr guten Schauspielern ins Bild. Das Schicksal unangepasster oder straffälliger junger Burschen, die auf einer Insel wie Schwerverbrecher behandelt wurden und nur eine kleine Chance hatten, freigelassen zu werden, war tatsächlich schlimm, muss aber um seine Relevanz für ein modernes urbanes Publikum ringen.

Wenn man den modernen Strafvollzug für Jugendliche mit der Art vergleicht, wie junge Menschen noch vor wenigen Generationen be- oder eher misshandelt wurden, wenn sie nicht in das Raster gesellschaftlicher Normen passten, dann wär einem wohl der Begriff "Kuscheljustiz" als letztes eingefallen. Neben den unmenschlichen Bedingungen in Strafanstalten und Heimen scheinen aus heutiger Sicht auch die Kriterien willkürlich, nach denen jemand dort eingewiesen wurde. Oft waren es nämlich keine Gesetzesverstöße, sondern unzähmbarer Freiheitsdrang und Aufmucken gegen ungerechte Behandlung, die den Ausschlag gaben.

The Magdalene Sisters zeigt diese Problematik brillant und unvergesslich für junge Mädchen, während auf der norwegischen Teufelsinsel nur Buben landeten. Auch das Personal bestand dort ausschließlich aus Männern, die - bis auf eine Ausnahme - ohne Frauen auskommen mussten. Das war keine gute Voraussetzung für den Umgang mit Jugendlichen, die kaum eine Chance hatten, sich gegen Übergriffe zu wehren. Diese scheinbar ausweglose Lage zeigt Holst in aller Dringlichkeit. Er hat dafür die richtige Besetzung gefunden, keine Figur wirkt übertrieben. Und er taucht alles in den Schmutzfarbkasten: Oft regnet es, tiefer Schnee liegt im Winter und ein zugefrorenes Meer lädt scheinbar zur Flucht.

Die Machtstrukturen ohne entsprechende Kontrollstrukturen deformieren den Charakter - eben auch denjenigen der Aufpasser. Der Mikrokosmos der Beziehungen unter den Jugendlichen wird ausgelotet, und einige dieser speziellen Typen lernen wir gut kennen und ihre Reaktionen verstehen. Dass dieses Missverhältnis von vielen kräftigen Burschen und wenigen, teilweise schon ältlichen Aufpassern nicht stabile Verhältnisse garantiert, beweist eine historische Begebenheit, die Holst als Höhepunkt inszeniert, leider aber auch mit einer aufgesetzten Freundschaftsprobe belastet. Etwas mehr Wagnis gerade in der Kamerarbeit und der Erzählstruktur wär eine Reverenz an den Mut der Jugendlichen gewesen.

18.02.2024

3

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