La nostra vita Frankreich, Italien 2010 – 101min.
Filmkritik
Hart, aber ungerecht
Wenn man wissen will, wie jemand wirklich tickt, muss man ihn einer hohen Belastung aussetzen. Genau das macht Daniele Luchetti, um das Leben einer Arbeiterfamilie plastisch werden zu lassen: Er stürzt sie in eine Katastrofe.
Es gibt sie in Italien immer noch, die sozial bewussten Filmemacher. Sie kennen den italienischen Neorealismus der Nachkriegszeit und lassen sich von der kommerziellen Verluderung der Medien weder verführen noch korrumpieren. Daniele Luchetti ist so einer, der das Lebensgefühl einer bestimmten Klasse gekonnt einfängt und ihren Lebensstil ungeschminkt präsentiert.
Claudio (Elio Germano) und Elena (Isabella Ragonese) haben bereis zwei Buben, ein drittes Kind wird erwartet, sie treffen sich mit Nachbarn, Freunden und Verwandten, man hilft sich gegenseitig, diskutiert unf feiert, aber große Sprünge liegen nicht drin. Claudio arbeitet als Polier auf dem Bau und wird mit den üblichen üblen Machenschaften konfrontiert, obwohl er selbst eine gute Seele ist, ehrlich, fleißig, aufmerksam und verantwortungsbewusst. Da schlägt das Schicksal unbarmherzig zu, und plötzlich ist nichts mehr wie vorher, unerwartet ist ein großer Teil dessen zerstört, weswegen es sich zu leben lohnte. Das zwingt zum Umdenken und "Umhandeln", verändert bald auch die Persönlichkeit.
Nach dem Schock breiten sich die Stoßwellen im ganzen Beziehungsgeflecht aus, und es zeigt sich, wer die wahren Freunde sind. Da wird vielleicht ein wenig zu dick aufgetragen, ein Tick zuviel klischiert, wenn ein an den Rollstuhl gefesselter Drogenhändler zum stabilen Notnagel wird, wobei auch der obligate Besuch der Geldeintreibertruppe aus dem Osten nicht fehlt. Nebenbei bricht Luchetti noch eine kleine Lanze für die Immigranten, speziell für die Rumänischen, denen es vor nicht allzu langer Zeit in Italien an den Kragen ging.
Auch wenn die Geschichte weder alltäglich noch ungewöhnlich ist, die Besetzung - ein Teil sind Laiendarsteller - und die schauspielerische Leistung sind von besonderer Qualität: Alle Rollen sind typgenau getroffen und das Ensemble wird hervorragend geführt, die Details stimmen, man erfährt, wo der großen Masse der Italiener der Schuh drückt. Und, auch wenn es, streng genommen, eine Tragödie ist, so gibt es doch einiges zu lachen, die präzise Zeichnung der Figuren und die Kommentare zu ihrer Motivation aus dem Munde anderer vermitteln ein lebendiges Bild dieser Menschen, die sogar in der höchsten Not noch einen Ausweg suchen und oft auch finden.
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