Kleine wahre Lügen Frankreich 2010 – 154min.

Filmkritik

Wenn Freund sich fremd werden

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Wie gewöhnlich verbringen ein paar beste Freunde den Sommer gemeinsam in Frankreich. Doch in diesem Jahr ist einer nicht da - und alles anders. Grandioser Mix aus Komödie und Drama mit Starbesetzung.

Sommer am Cap Ferret: Jedes Jahr lädt der erfolgreiche Restaurantbesitzer Max (François Cluzet) seine engsten Freunde in sein Strandhaus an der französische Atlantikküste ein. Doch dieses Mal ist nichts wie früher: Ludo (Jean Dujardin) fehlt - er liegt nach einem Verkehrsunfall schwer verletzt in einem Pariser Krankenhaus. Trotz gemeinsamer Bootsausflüge, Essen unterm Sternenhimmel und Sport am Strand will keine richtige Urlaubsstimmung aufkommen. Seit Chiropraktiker Vincent (Benoît Magimel) Max mit einem vertraulichen Liebesgeständnis schockierte, ist ihr Verhältnis ohnehin gestört und vergiftet jetzt die Atmosphäre im Ferienhaus. Am meisten leiden darunter ihre Frauen und Kinder, für die das Benehmen der beiden Männer unerklärlich scheint. Mit privaten Dämonen haben auch die Ethnologin Marie (Marion Cotillard), der Schauspieler Eric (Gilles Lellouche) und der neurotische Antoine (Laurent Lafitte) zu kämpfen.

Regisseur Guillaume Canet stellt ein berühmtes Muster auf den Kopf. In der Umkehrung von Lawrence Kasdans The Big Chill erzählt er nicht davon, wie Freunde sich finden, nachdem einer gestorben ist. Vielmehr geht es in Les petits mouchoirs um eine Gruppe von Menschen, die einander viel bedeuten, aber zugleich in einer Art Traumwelt leben, die sich auf diese wenigen gemeinsamen Urlaubswochen konzentriert. Ihre Freundschaft war auf diese Art konserviert. Aber nun, da mit Ludos Fehlen ein Katalysator gefunden ist, zeigt sich, dass sie alle nicht nur älter geworden sind und sich entwickelt haben, sondern auch, dass sie sich ein Stück weit fremd geworden sind.

Canet, der auch das Drehbuch geschrieben hat, lässt sich Zeit. Mehr als zweieinhalb Stunden nutzt er, um seine Geschichte zu erzählen, die sich anfühlt, als hätte sie das Leben selbst geschrieben. Dabei ist es das Ensemble, das Les petits mouchoirs zum Erfolg werden lässt. In vielen Sequenzen spürt man eine Wahrhaftigkeit, die dafür sorgt, dass man sich inmitten dieser Gruppe von Freunden wohl fühlt. Die Figuren sind so lebendig gestaltet, dass selbst die Stars hinter sie zurücktreten. François Cluzet und Marion Cotillard gehen - wie das gesamte Ensemble - ganz und gar in ihren Rollen auf. Besonders bemerkenswert: Jean Dujardin. Obwohl er kaum zu sehen ist, empfindet man seinen Ludo als die tragende Figur im Film.

Les petits mouchoirs gelingt das Kunststück der haarscharfen Gratwanderung zwischen Drama und Komödie. Der Film hat immens witzige Momente, kann aber auch völlig unerwartet ins Tieftraurige umschlagen. Am Ende steht für die Figuren Katharsis und Neuanfang. Und für die Zuschauer ein wunderschöner, emotionaler Film.

15.07.2011

5

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Kommentare

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güx

vor 13 Jahren

Hatte zugegeben hohe Erwartungen, nachdem mir der Film von Freunden als Must-see empfohlen wurde und er auch sehr gute Kritiken hat. Leider hat er aus meiner Sicht mehrere Nachteile: Er ist viel, aber wirklich viiiiiiel zu lang. Schere raus, schnipp schnapp, zack - Les petits mouchoirs hätte um sicher 60 min. gekürzt werden können, OHNE dass man irgendwas verpasst hätte. Ich habe nichts dagegen, wenn sich jemand beim Erzählen oder Vorstellen der einzelen Figuren Zeit lässt, ganz und gar nicht. Nur hier bringt es gar nichts, der Film verliert sich, bei mir hinterliessen gewisse Szenen einen faden Beigeschmack: Hey, wir sind "die besten Freunde", hauen aber trotz Komapatient in unserer Mitte ab in die Ferien und lassen es uns dort so richtig gut gehen. Der "Freund" scheint in Vergessenheit zu geraten, man ist schliesslich mit sich selbst mehr als genug beschäftigt.

Ich gebe zu: Ich war beim Abspann genauso schlau wie zuvor und habe mich über den Film geärgert. Für mich geht das Ganze in Richtung Zeitverschwendung. Klar, einige der Schauspieler sind top, deshalb gebe ich immerhin noch einen 2. Stern - aber was nützt das, wenn sich die Geschichte rund um die Akteure dermassen verzettelt und die Message (zumindest bei mir) nicht rüberkommt. Ich war und bin enttäuscht von dem Film.Mehr anzeigen


davexstuder

vor 13 Jahren

Bewegendes Kino - super!


amosch

vor 13 Jahren

Einer der besten Filme des Jahres.


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