CH.FILM

Pizza Bethlehem Schweiz 2010 – 85min.

Filmkritik

Brotfladen essen, kicken, streiten

Geri Krebs
Filmkritik: Geri Krebs

Neun Juniorinnen des FC Bethlehem und ihr Trainer stehen im Zentrum von Bruno Molls optimistisch gestimmter und klug ausbalancierter Alltagsbobachtung. Ein Film über einen multikulturellen Mikrokosmos, der auch konfliktreiche Situationen nicht ausspart und nur gelegentlich etwas gar idyllisch wirkt.

Das "Pizza" im Titel des Films steht für die völkerverbindende Kraft der Leibspeise aller Teenies, während "Bethlehem" ein Quartier im Westen Berns ist. Bethlehem zeichnet sich durch einen hohen Ausländeranteil aus, und sein Name geht auf einen mittelalterlichen Prozessionsweg zurück. Regisseur Bruno Moll, seit seinem Film "Zu Fuss nach Santiago de Compostela" bewandert auf diesem Gebiet, widmet sich in seinem neuen Film neun jugendlichen Bewohnerinnen Bethlehems und zeigt sie als begeisterte Teamplayerinnen des Juniorinnen-FC. Sie heissen Natasa, Elmaze, Rosa oder Tiziana, und sie kommen aus Ländern des ehemaligen Jugoslawien, oder aus Angola oder aus Italien, sie sind zwischen 15 und 18 Jahren alt, und nur zwei von ihnen haben einen schweizerischen Elternteil. Sie sind in der Schweiz aufgewachsen, gehören unterschiedlichen Religionen an, was für sie ebenso wenig ein Problem zu sein scheint wie die Tatsache, dass sie als Ausländerinnen in der Mannschaft ganz unter sich sind - und sich dennoch als integriert sehen. Bruno Moll hat die Teenager mehr als ein Jahr begleitet, er zeigt ihre Triumphe und Niederlagen und widmet sich eingehend auch dem sozialen Umfeld jeder einzelnen Spielerin.

Den stärksten Eindruck hinterlässt allerdings Gianluca de Febis, der 36-jährige Trainer der Mannschaft. In seiner nonchalanten Mischung aus Lockerheit und Bestimmtheit beweist der gebürtige Italiener im Umgang mit den ihm anvertrauten jungen Frauen eine glückliche Hand. Er strahlt eine natürliche Autorität aus, die es ihm erlaubt auch in schwierigen Situationen stets vermittelnd oder motivierend aufzutreten. Gerne hätte man dieses charismatische sportpädagogische Naturtalent - er arbeitet hauptberuflich als Informatiker - noch besser kennen gelernt. Doch dies wäre dann dem berechtigten Anliegen des Films im Wege gestanden, die neun jungen Frauen und ihr persönliches Umfeld vorzustellen. Wie der Film diese komplexe Figurenkonstellation meistert, verrät die Hand des erfahrenen Regisseurs. Wenngleich mit zunehmender Filmlänge der Anspruch, alle Fussballerinnen gleichberechtigt in Erscheinung treten zu lassen, nicht immer ganz eingelöst werden kann. Doch dies tut dieser so charmanten wie lebendigen Milieustudie, die nur in ihren schwächsten Momenten einem naiven Multikulti-Idyll huldigt, keinen Abbruch.

Nachdem der ganz auf Filme aus dem "Süden" und dem "Osten" spezialisierte Trigon-Filmverleih 2007 mit Bruno Molls "Die Tunisreise" und 2008 mit "Thèbes" von Jacques Siron erstmals Filme von Schweizer Regisseuren in sein Programm aufgenommen hatte, ist "Pizza Bethlehem" nun der erste Trigon-Film, der ganz in der Schweiz spielt. Die Idee verdient Sympathie, nun einmal Menschen aus jenen Ländern ins Zentrum zu rücken, die in der Schweiz heimisch geworden sind.

17.02.2024

3

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Kommentare

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caminovie

vor 14 Jahren

Sehr guter Film von Bruno Moll. Er geht sehr in die Tiefe.


tombern

vor 14 Jahren

.... wie Bern-West halt einfach ist.
Der Film bringt einen schönen Einblick ins Multi-Kulti Leben des facettenreichsten Berner Stadtteils. Ganz nach dem Motto "Luege - Lose - Lache - Gniesse"


Klaus1108

vor 14 Jahren

Der Doku-Streifen bietet interessante Einblicke in die Lebenswelten junger Menschen mit Migrationshintergrund. Ein Film, der Hoffnung macht.


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