CH.FILM

Songs of Love and Hate Schweiz 2010 – 89min.

Filmkritik

Eine Kopfgeburt

Geri Krebs
Filmkritik: Geri Krebs

Die erwachende Sexualität einer Winzerstochter im Tessin steht im Zentrum einer komplexen Familiengeschichte der Zürcher Regisseurin und Drehbuchautorin Katalin Gödrös.

Zu Beginn meint man, einer Geschichte über ein Arbeitsintegrationsprojekt für Pubertierende beizuwohnen. Zwei maulende Mädchen arbeiten missmutig in einem Weinberg, als der Leiter des Projekts im Auto vorfährt. Nach einigen Dialogen wird man jedoch gewahr: Das ist der Vater (Jeroen Willems), der hier seine Töchter herumschikaniert. Vor allem mit Lili (Sarah Horvath), der Älteren, scheint es Probleme zu geben, während die Jüngere (Luisa Sappelt) alles einfach über sich ergehen lässt.

Doch auch dieser Eindruck täuscht. In Wirklichkeit liebt Vater Rico seine Lili über alles, doch es ist deren beginnendes Erblühen zur Frau, das ihm Mühe bereitet, ihn mit verbotenen Gedanken und Blicken konfrontiert - und das einzige Mittel dagegen scheint ihm ein schroffes und abweisendes Verhalten zu sein. Das bleibt natürlich auch den Töchtern und der Mutter (Ursina Lardi) nicht verborgen, ein nonverbales Machtspiel aller gegen alle beginnt, und insbesondere der Nachbarsjunge (Joel Basman), den erste zarte Gefühle mit Lili verbinden, bekommt deren ambivalente Abwehrstrategien gegen die unausgesprochenen väterlichen Begehrlichkeiten handfest zu spüren.

Sie habe selber eine Tochter im angehenden Teenageralter und sie habe sich immer wieder gefragt, mit welchen Abgründen das Erwachsenwerden und das Erwachen der Sexualität bei einem Mädchen einhergehe, meinte Kalalin Gödrös anlässslich der Weltpremiere von Songs of Love and Hate in Locarno und erklärte dann, sie habe über diesen Zustand einen weit gehend athmosphärischen Film machen wollen. Der von Leonard Cohens gleichnamigem Album entliehene Titel signalisiert dabei sofort, in welcher Liga Gödrös sich in ihrem zweiten Kinospielfilm gerne bewegen würde. Es ist ein hoch gestecktes Ziel, man könnte es auch prätentiös nennen.

Songs of Love and Hate ist ein forciert elliptisch erzählender Film, in dem einem zudem nichts erklärt wird - doch das muss nicht negativ gemeint sein, schliesslich gibt es Legionen von Filmen, die gerade aus diesen Eigenschaften ihre Faszination gewinnen. Das Problem hier ist jedoch, dass Katalin Gödrös nicht nur nichts erklärt, sondern dass auch keine der Figuren genügend psychologische Tiefe und Glaubwürdigkeit besitzt, als dass man ihrem Agieren einen Sinn abgewinnen könnte. So bleibt Songs of Love and Hate eine Kopfgeburt, die zwar hervorragend gefilmt ist (Kamera: Henner Besuch), bei der aber die titelgebenden Emotionenen weitgehend Behauptung bleiben.

14.02.2011

3

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