Alpsegen Schweiz 2012 – 90min.
Filmkritik
Rufer zwischen Berg und Himmel
Es gibt sie noch, die Älpler und Sennen, die allabendlich durch einen Milchtrichter eine Art Beschwörungssingsang vollführen. Sie «posaunen» ihren Abendsegen und «Bättruef» über Berg und Tal. Der Städter Bruno Moll hat ihnen einen schönen tiefsinnigen Film gewidmet.
Abendstimmung über den Bergen. Ein Mann steigt auf eine Anhöhe vor seinem Haus und setzt zu einem Sprechgesang an, beschwört den Segen für seine Alp, Tiere, Menschen, die heimatliche Scholle. Er intoniert den Alpsegen, den «Bättruef», bittet um Schutz vor Unheil. Er sei erstmals im Jahr 450 nachgewiesen worden, schreibt die Volkskundlerin Brigitte Bachmann-Geiser. Ein Glaubensbekenntnis, in das der lateinische Mariengruss «Ave Maria» und Texte aus dem Johannes-Evangelium einflossen, das «Vater Unser», das Requiem, Scheuchrufe, Vieh und Wettersegen.
Franz Ambauen (80) ist so einer, der heute noch allabendlich mit dem hölzernen Milchtrichter auf seine Alp Arhölzli im Nidwaldnerischen auf 1600 Meter über Meer tritt und den Alpsegen verkündigt. Ein uriger Innerschweizer mit Schalk im Nacken - und ein Mann wie aus dem Alpbilderbuch. Ein ganz anderer Typ ist Mina Inauen (61) aus Appenzell. Die eigenwilliger Naturfreundin legt ein Bekenntnis ab: «Für mich ist das Alpleben reinste Erholung. Neben dem Haushalt habe ich genügend Zeit durch die Wälder und Wiesen zu streifen. Ich sammle Heilkräuter und seltsam geformte Steine und Wurzeln.» Und ruft den Alpsegen aus.
In diesen Kreis der «Rufer auf der Alp» treten in Bruno Molls Dokumentarfilm «Alpsegen» drei weitere Mannsbilder: Der leidenschaftliche Braunviehzüchter aus dem Entlebuch, Josef Brun (61), der behauptet, dass die Natur sein religiöses Gefühl bestimmt. Der Rätoromane Placi Giusep Pelican (40) aus der Surselva, der mit seiner jungen Familie 70 bis 80 Kühe hütet und versorgt. Schliesslich der «Youngster» Samuel Indergand (25), der mit seinem Freund Urs (32) Kühe und Rinder im Fellital (Uri) betreut. Indergand hat den Text seines Alpsegens von einem Ostschweizer Sennen übernommen: «Ich hab ihn dann aber abgeändert. Einmal, weil ich, im kirchlichen Sinn, nicht sehr gläubig bin. Ich hab die Heiligenlastigkeit zugunsten der Natur etwas zurecht gestutzt.»
Der Oltner Bruno Moll ist ihnen gefolgt, hat ihr Vertrauen gewonnen und einen Dokumentarfilm jenseits von Folklore und Heimatidylle geschaffen, der ein etwas entlegenes Stück Schweiz abbildet und doch tiefer geht. Das Bildwerk (Kamera: Moll und Peter Ramseier) kommt der Natur, Menschen und ihrem erfüllten Leben sehr nah. Sein Film bietet dabei eine spannende Projektionsfläche für Glaubens- und Lebensfragen.
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Kommentare
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 12 Jahren
Ein sehr ruhiger Film, der immer auch mit einem Augenzwinkern von einem alten, aber auch wichtigen Brauch aus unseren Alpen berichtet. Der Jüngste der porträtierten Sennen wird nach dem Nutzen dieses Segens gefragt. Dieser überlegt, gibt ein paar Antworten, mit welchen er nur mässig zufrieden ist, und meint dann: Er gibt einem eine innere Ruhe am Ende des Tages. Und das macht auch dieser Film.… Mehr anzeigen
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