Medianeras Argentinien, Deutschland, Spanien 2011 – 94min.

Filmkritik

Gemeinsame Häuser und einsame Herzen in Buenos Aires

Filmkritik: Eduard Ulrich

Buenos Aires als Prototyp einer Stadt des architektonischen Wildwuchses liefert bis zum Titel die Stichworte in Gustavo Tarettos liebenswertem Großstadtmärchen um ein Noch-Nicht-Pärchen beziehungsgestrandeter 30jähriger. Während die Idee einer Partnersuche nach Enttäuschungen nicht originell ist, nimmt die Inszenierung durch originelle Ideen und den Charme der beiden Hauptdarsteller ein und überzeugte auch das Publikum an Festivals in Berlin und Toulouse.

Les extrèmes se touchent. Wenig von Menschenhand Geschaffenes ist so beständig wie die Architektur, wenig so flüchtig wie das Internet. Gemeinsam ist beiden ihr immenser Einfluss auf unser Leben. Martìn entwickelt Internet-Spiele und hat seine Freundin verloren, ihren Hund hat er aber behalten. Mariana ist Architektin ohne Berufspraxis, hat eine gescheiterte Beziehung zu verdauen und verdient ihr Geld als Schaufensterdekorateuse. Sie wohnen in benachbarten Mietsblöcken, aber die Chance, sich kennenzulernen, ist klein, weil sich ihre Sphären nicht durchdringen.

Mariana liebt die physischen Dinge und in der Not eine Schaufensterpuppe, das Internet besucht sie nicht. Wenn Martìn unter die Leute geht, nimmt er seinen Überlebensrucksack mit, in dem immerhin drei Tati-Filme ihren Platz haben - die Netzgemeinde ist ihm lieber. Beide sind einsam, leiden unter Beziehungsmangel und entwickeln entsprechende Symptome - er körperliche, sie psychische.

Wie Jacques Tati interessiert sich Gustavo Taretto für den Einfluss der Architektur auf unser Leben und dasjenige der Tiere. Ein zu kleiner Balkon kann sogar einen Hund in den Selbstmord treiben, während ein Kleinkind auf seinem Dreirad geduldig dort hin- und herfährt, fürs Wenden ist kein Platz. Die amüsante Exposition zur Wechselwirkung von Architektur und Gesellschaft ist schon fast den Besuch des Filmes wert, auch wenn Witz und Tempo nicht auf diesem hohen Niveau durchgehalten werden.

Taretto haucht seinen Retortenbabys aber genug Leben ein und seine Liebe zum verspielten Detail sowie seine inszenatorische Sorgfalt reichern die nicht superoriginelle Konstellation hinreichend an, um einige Funken daraus zu schlagen. Die sehr schön besetzten Hauptrollen - der lichtscheue und sozialinteraktionsschwache Programmierer entspricht allerdings gefährlich gut dem Klischee - trugen wahrscheinlich einen wesentlichen Teil zum Erfolg an der Berlinale und in Toulouse bei, wo jeweils der Publikumspreis herausschaute.

17.02.2024

3

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Kommentare

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anabah

vor 11 Jahren

Ein Meisterwerk! Mein neuer Lieblingsfilm


astrid49

vor 12 Jahren

Als Drama würde ich den Film nicht bezeichnen, dafür war er viel zu witzig. Absolut sehenswert!


selinaburri

vor 12 Jahren

wunderbar!


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