Rundskop Belgien 2011 – 120min.
Filmkritik
Wie ein wilder Stier
Wenn die Hormone verrückt spielen: Michael R. Roskams beklemmender Film bewegt sich zwischen Thriller und Tragödie, düsteren Menschen und gemästeten Tieren. Und nicht zuletzt zwischen den wallonischen und flämischen Fronten Belgiens.
Der Rinderzüchter Jacky (Matthias Schoenaerts) ist ein verschlossener Zeitgenosse, dessen bulliger Körper in steter Unruhe zu sein scheint. Verantwortlich dafür ist Testosteron: Regelmässig bedient er sich an seinem prall gefüllten Kühlschrank, spritzt oder schluckt allerlei Präparate, die er zwecks beschleunigter Mästung auch seinen Tieren injiziert - so, wie es schon sein Vater getan hat.
Bei den Verhandlungen über einen Belieferungs-Deal mit einem flämischen Rindfleischhändler trifft Jacky auf seinen früheren Jugendfreund Diederik (Jeroen Perceval). Sofort werden in Jacky wieder die Erinnerungen an ein schreckliches Ereignis wach, das sein Leben stark beeinträchtigt und die Verbindung zu Diederik zerstört hat. Als Jacky erfährt, dass ein Ermittler in Sachen illegaler Hormon-Machenschaften umgebracht wurde, wird ihm der Deal zu heiss. Doch so einfach kommt er nicht aus der Sache heraus. Dazu kommt, dass sein aufgefrischtes Trauma immer mehr zur unaushaltbaren Belastung wird.
Ob man nach diesem Film noch Fleisch isst? Fakt ist: In Bullhead wimmelt es so sehr von menschlichen Rindviechern, dass den Tieren selbst ziemlich wenig Raum eingestanden wird. Der Fleischverzehr-Gegenreflex wird hier nicht mit expliziten Schlachtbildern ausgelöst, sondern mit der schockierend-unaufgeregten Art, mit der Hormonpräparate wie Milch an die Kunden ausgeliefert werden. Der für den Auslands-Oscar 2012 nominierte Film ist ein komplexes Stück Genrespagat, der anfangs nicht abzusehen ist: Erst mit der Zeit entfaltet sich unter der Oberfläche des Thrillers ein sehr persönliches Drama. Das eines Mannes, der schnaubt wie ein Bulle, dessen Refugium das Badezimmer geworden ist, welches die schreckliche Transformation dieses Menschen miterlebt hat. Hauptdarsteller Matthias Schoenaerts tut sich dabei mit einer intensiven Darbietung hervor, die sich permanent zwischen Aggression und Zerbrechlichkeit bewegt.
Eine zusätzliche Facette von Bullhead ist die unübersehbare Zurschaustellung eines gespaltenen Landes. Unverhohlen direkt präsentiert uns Michael R. Roskams den flämisch-wallonischen Konflikt im Kleinformat. So darf nur schon die Tatsache, dass der Flame Jacky sein Trauma einem Wallonen zu verdanken hat, im übertragenen Sinne betrachtet werden. Bullhead ist ein beklemmender Film, der sich für seine Geschichte über zwei Stunden Laufzeit eingesteht. Es sind wohlinvestierte zwei Stunden, denn obschon das Milieu abstösst, lässt dieses Werk seine Zuschauer nicht kalt.
Dein Film-Rating
Kommentare
Atemberaubend sensationell
Wahnsinns Story!!! Super Darsteller 😊 😊
Die Auflösung der ganzen Geschichte fällt dann doch enttäuschend aus und das ist schade, ob der ganzen Spannung, welche im Verlauf der Handlung so meisterhaft aufgebaut wurde. Gleichwohl, Matthias Schoenharts in der Hauptrolle ist eine Wucht, und der Film ist durchaus sehenswert.
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 12 Jahren
Schliesse mich der Filmkritik von Urs Arnold an!
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