Die geheimnisvolle Fremde Frankreich, Polen, Grossbritannien 2011 – 93min.

Filmkritik

Fremd, verführt, verloren

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Ein in Paris gestrandeter US-Schriftsteller verdingt sich als Nachtwärter und lässt sich von einer geheimnisvollen Fremden aushalten. Ein erotisches Mysterydrama des Polen Pawel Pawlikowski.

Paris – die Stadt der Liebe und Leidenschaften, Fantasie, Romantik und Projektionen. Tausendfach erprobt, erkundet und erzählt. Pawel Pawlikowski beschreibt eine alte Geschichte der Verlorenheit, Verführung und Verdammnis neu - mit Bildern (Kamera: Ryszard Lenczewski), die kein typisches Paris zeigen, keine romantischen Attitüden, keine Idyllen.

Wieder ein Amerikaner in Paris: Tom Ricks (Ethan Hawke) sucht zwischen Seine und Pigalle nach Frau und Tochter, die ihn verlassen haben. Auf einem nächtlichen Streifzug schläft er in der Metro ein und erwacht mittellos. Man hat ihm das Geld geklaut, sein Pass ist weg, und französisch spricht der plötzliche Niemand auch nicht. Ein zwielichtiger Hotelbesitzer heuert ihn als Nachtwärter für einen dubiosen Club an - gegen Logis. So beginnt eine (psychologische) Odyssee des Fremden in einer ihm fremden Welt, in die eine schöne Fremde tritt (Kristin Scott Thomas), sie ist um die 50, attraktiv und sehr verführerisch. Und Tom erliegt den Lockrufen dieser Sirene. Doch ist es Wunsch, Vision oder Wirklichkeit?

Woman in the Fifth basiert auf Douglas Kennedys gleichnamigen Roman, doch Pawlikowski löst sich von der Vorlage, spinnt Motive, Story-Elemente und Charaktere zu einem eigenen mysteriösen Psychodrama. Sein Held verliert sich und den Bezug zur Realität. Erst allmählich dämmert einem, dass man sich in ein Labyrinth wiederfindet. Ethan Hawke macht uns den verlorene Amerikaner in Paris sympathisch. Doch alles hat zwei Seiten. Kristin Scott Thomas verkörpert diese unfassbare Liebhaberin, die unmittelbar auftaucht und wieder verschwindet. Eine Idealbesetzung.

Die labyrinthische Beziehungsgeschichte pendelt zwischen erotischer Mystery-Tour und Psycho-Thriller. In den besten Momenten erinnern Pawlikowskis verstörende Obsessionen an den frühen Polanski. In diesem fesselnden Psychothriller werden Kulisse, jenseits aller Pariser Klischees, die bedrohliche Stimmung und das Rätsel, das am Ende nicht endgültig aufgeht, zu einem dichten Geflecht aus Fiktion und augenscheinlicher Wirklichkeit verwoben. Ein aussergewöhnlicher und irritierender Trip für alle, die gern gängige Kinowege verlassen.

18.02.2024

4

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Kommentare

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8martin

vor 3 Jahren

Ein Film mit vielen Lücken, was ihn für manche äußerst geil macht, weil er mehr Fragen offen lässt als zu beantworten. Bei so viel unausgegorenem Murks fühlt man sich doch irgendwie verarscht. Oder man legt sich den Gestus eines Vernissage Besuchers zu und schaut tiefgründig Grübelnd drein, obwohl man nicht die Bohne einer Ahnung hat, worum es hier eigentlich geht und stammelt dabei so etwas unverständlich wie ‘Unglaublich…hm…interessant…Ja, genau! etc.‘ Früher sagte man ‘Wenn du nicht mehr weiterweißt, bilde einen Arbeitskreis‘. Das könnte man hier variierten zu ‘Kein Genre passt, was soll’s Gewimmer. Nimm Arthouse, denn das passt doch immer.‘ Was als Roman noch durchgehen kann, geht im Film anders, so jedenfalls nicht.
Zurück zum Unglaublichen:
Der erfolglose, geschiedene Schriftsteller Tom Ricks (Ethan Hawke schaut mit großer Brille gewichtig drein), fällt in Paris unter die Straßenräuber, nächtigt in einer Absteige, verdingt sich als ‘Night Manager‘ (hätte John le Caré gesagt) und pendelt sexmäßig zwischen der älteren Margit (Kristin Scott Thomas) und der jungen Frau des Hoteliers Ania (Joanna Kulig) hin und her. Der Titel meint aber nur Margit. Die ist mal weg, dann wieder da, eigentlich schon seit Jahren tot. Ach guck mal an!? Auch Toms kleine Tochter verschwindet mal zwischendurch vorübergehend. Kaum hat Margit Tom kennengelernt, wäscht die ‘geheimnisvolle Fremde‘ ihm schon die Haare in der Wanne und sitzt aber daneben. Ach was?! Toms Nachbar wird ermordet, er nur verhört. Und am Ende ist einfach Schluss. Gottseidank.
Das färbt auf die Stimmung der Zuschauer ab. Alle Figuren des Films sind deprimiert, der Zuschauer darüber hinaus noch erleichtert, dass es überstanden ist.Mehr anzeigen


Rear Window

vor 12 Jahren

Eine bedenklich missratende Adaption an die Buchvorlage von Douglas Kennedy. Dieser Roman ist äusserst dicht und die Figur des Mr. Ricks extrem vielschichtig, was im Film leider überhaupt nicht der Fall ist. Schade drum


mercidir

vor 12 Jahren

endlich mal wieder ein film, mit ruhe, spannung, herausforderung für den beobachter, tollen schauspielern und interpretationsflächen für die zeit nach dem film. nie hab ich mich veräppelt gefühlt obwohl nicht ganz klar war was real und fiktion war. für mich ging es dann am schluss doch auf. ein absolut sehenwerter spannungsgeladener film der nie langweilig wird ruhig erzählt wird. die kristin fand ich gar nicht so erotisch. die polin hingegen schon. ein film über die liebe, den verlust und wie ein mann damit umzugehen versucht. er kann es nicht akzeptieren und erlebt so weiter ablehnung. dass der mann krank ist geht aus den dialogen mit seiner ex hervor und auch dass er gewalttätig sei. viel mehr erfahren wir jedoch nicht, ist auch nicht nötig. der film bleibt in der gegenwart. bin gespannt auf andere kritiken.Mehr anzeigen


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