Chinese zum Mitnehmen Argentinien, Spanien 2011 – 108min.
Filmkritik
Schraubenzähler wird Menschenfreund
Die kuriosesten Geschichten schreibt das Leben selbst. So wie jene, die von einer Kuh erzählt, die ein japanisches Fischerboot zum Kentern brachte. Der argentinische Regisseur Sebastián Borensztein fand sie so kurios, dass er sie zur Ausgangslage von Un cuento chino machte.
Roberto (Ricardo Darín) ist ein typischer Einzelgänger, der nichts und niemanden an sich heran lässt. Doch dann ändert sich das Leben des Eisenwarenhändlers schlagartig, als der Chinese Jun in sein Leben tritt. Er ist gerade erst in Argentinien angekommen, spricht kein Wort Spanisch und braucht die Hilfe anderer. Eigentlich möchte er am liebsten seine Ruhe haben, doch Roberto sieht sich gezwungen, dem Einwanderer zu helfen, sein neues Leben im neuen Land in den Griff zu bekommen. Damit ebnet er auch für sich selbst einen Weg aus der Tristesse seines Lebens.
Während jene Kuh im richtigen Leben aus heiterem Himmel nur auf ein Fischerboot gefallen sein soll, lässt Borensztein sie Juns Verlobte erschlagen, was der Auslöser für Juns Aufbruch nach Buenos Aires ist, wo er nach seinem Onkel sucht, aber auf einen Eisenwarenhändler trifft, dessen größtes Hobby es ist, bei neuen Lieferungen die Schrauben in den Päckchen zu zählen, um sicherzugehen, dass er nicht betrogen wird. Solche Menschen brauchen wahrlich keine Freunde.
Un cuento chino ist zunächst ein Film über den Zusammenprall zweier Kulturen. Daraus bezieht er seinen skurrilen Witz, etwa, wenn der Chinese mit einer argentinischen Spezialität konfrontiert wird, die außerhalb Argentiniens wohl eher für Beklemmungen sorgt. Borensztein, der auch das Drehbuch verfasste, setzt auf eine melancholische Grundstimmung, die er mit rabenschwarzem Humor versieht. Natürlich gibt es einen Grund dafür, dass Roberto ist, wie er ist; als dieser enthüllt wird, versteht man den Eigenbrötler umso mehr. Er ist schroff und unfreundlich, aber er hat das Herz auf dem rechten Fleck. Und obschon er im Verlauf des Films auftaut, verliert er seine Fähigkeit zum bissigen Kommentar nie.
Un cuento chino ist auch die Geschichte der Wandlung vom Saulus zum Paulus. Das ist nicht gerade neu, und doch vermag der Film bestens zu unterhalten, nicht nur seines feinen Wortwitzes wegen. Ein nachdenklich stimmender Film, der für ein positives Lebensgefühl sorgt.
Dein Film-Rating
Kommentare
Sackstarke Story und super gespielt. Schade kommen hier in CH nicht mehr argentinische Filme in die Kinos
Wunderbarer Film über einen Eigenbrödler, der dank eines quirligen Chinesen, den er zwar sprächlich überhaupt nicht versteht, sein Trauma über den tragischen Tod seiner Eltern überwindet und die Welt mit neuen Augen sieht. Stark umgesetzt mit herzerwärmenden Hauptdarstellern.
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