Avanti Belgien, Schweiz 2012 – 85min.
Filmkritik
Fesseln ablegen, Freiheit erfahren
Ein Name lockt, hält aber nicht, was er verspricht: Hanna Schygulla, früherer Fassbinder-Star, wabbelt als leicht verrückte Mutter in einer Beziehungskiste der Lausanner Regisseurin Emmanuelle Antille. Ihr Roadmovie verspricht "Avanti" und bietet Stillstand.
Eine alte Frau - als verrückte Kranke ettikitiert und kontrolliert. Ihr Mann und ihre Schwester (Miou-Miou) meinen, Suzanne (Hanna Schygulla) sei nicht von Sinnen, versorgen sie mit Medikamenten und wollen sie in die Klinik abschieben. Suzannes Tochter Léa (Nina Meurisse) steckt in einer leichten Lebenskrise und kümmert sich plötzlich um die vernachlässigte Mutter.
Spontan entschliesst sie sich, die Fesseln zu sprengen und mit der leicht verwirrten Mutter auf eine unbestimmt Reise zu gehen – irgendwo mit dem Auto im Waadtland. Suzanne, von ihrem Mann und Schwester eingebunden, bevormundet und kontrolliert, blüht auf, hebt ab wie losgelöst. Erinnerungen kommen hoch. In einer Kneipe lässt Schwergewicht Suzanne gute alte Tanzzeiten aufleben, kippt sich einen hinter die Binde, während ihre Tochter einen Quickie schiebt.
Tochter Léa, selbst auf unsicherem Lebensweg, stellt sich der krank gemachten Mutter, die sich gebärt wie ein Kind, das unangepasst und unschuldig herumtollt. Suzanne hat kindische Freude am Leben. Es finden sich Berührungspunkte zwischen Mutter und Tochter, Verständnis, Vertrautheit. Am Ende scheint es, als schwämmen sie im selben Strom. Der Findunsgprozess zieht sich hin und hat etwas von einem Kammerspiel zwischen Natur und Auto.
Das liest sich wie ein therapeutisches Märchen, auch wenn jederzeit Abgründe drohen. Die Absicht des liebenswürdigen Beziehungsdramas der 40-jährigen Lausannerin Emmanuelle Antille ist nachvollziehbar, doch die Umsetzung kann nicht überzeugen. Altstar Hanna Schygulla bleibt trotz tänzerischer Einlagen schauspielerisch unbeweglich. Mimenspiel und Blick, übertrieben melancholisch-nostalgisch, sowie ihre Ausstrahlung bleiben bleich wie abgestumpft. Die Schygulla - nicht gerade eine Fehlbesetzung, aber doch nur mit Langmut zu ertragen.
Der Titel dieser schweizerisch-belgische Koproduktion erinnert punktuell an italienische Episoden, ist aber wenig dienlich bei dem entschleunigten Roadmovie im Waadtland. Vorwiegend ein Film für Schygulla-Fans.
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