Draussen ist Sommer Deutschland, Schweiz 2012 – 95min.
Filmkritik
Unterkühltes Familiendrama
Eine fünfköpfige deutsche Familie zieht in die Deutschschweiz. Es kriselt nach einer Affäre des Vaters, der die Familieharmonie wiederherstellen will. Für die 14-jährige Wanda und ihre Geschwister fällt der Neufang schwer. Unterkühltes, bedrückendes Familiendrama von Friederike Jehn.
Luftveränderung tut gut und hilft, dachte sich wohl Joachim nach seiner Affäre in Berlin. Also musste die ganze Familie mit Sack und Pack in die Schweiz zügeln. Er hatte als Domizil ein Haus mit wilder Gartenidylle ausgewählt. Nur hatte der gut meinende Patron (Wolfram Koch) wohl die Rechnung ohne seine Familienmitglieder gemacht. Seine Frau Anna (Nicolette Krebitz) macht wohl (einigermassen) gute Miene zum Familienspiel, will eigene Wege gehen und bockt. Eines Tages verkrümelt sie sich ins Bett.
Bubi (Nalu Walder), das jüngste Familienmitglied, hält einfach den Mund und schweigt. Miss Sophie (Audrey von Scheele) tobt sich mit einer Freundin im angrenzenden Wald aus und entwickelte bösartige Eigenschaften. Die 14-jährige Wanda (Maria-Victoria Dragus) wird in der Schule als Aussenseiterin behandelt. Die Mädchenclique ihrer Klasse hält sie auf Distanz. Ein mögliches Techtelmechtel mit dem jungen Bademeister (Joel Basman) wird sabotiert und das sexuelle Abenteuer mit dem Jüngling Hannes (Philippe Graber) vom Nachbarhaus gerät zum Desaster. Als in der Familie alles aus dem Ruder zu laufen droht, nimmt Wanda das Heft des Handelns selber in die Hand, um zu kitten, um das Gleichgewicht und die alte "Ordnung" wiederherzustellen.
Filmautorin und Regisseurin Friederike Jehn hatte bereits mit einigen Kurzfilmen auf sich aufmerksam gemacht. Draussen ist Sommer ist ihr erster längerer Spielfilm. Das Familiendrama ist nicht spektakulär, aber bodenständig. Die Liebe der Autorin gilt vor allem Wanda, die verschiedene pubertäre Entwicklungen durchmacht, reift und Verlorenes wiederzufinden sucht. In der 19-jährigen Schauspielerin Maria-Victoria Dragus fand Jehn die ideale Partnerin, die als Pfarrerstochter in Michael Hanekes Das weisse Band reüssierte. Sie wird zum Kristallisationspunkt, zur "Heldin", die den Sommer freilich nicht zurückholen kann.
Die Regisseurin zeichnet vor allem die gute Schauspielerführung aus. Es ist jedoch ein Manko, das ihr intimes Beziehungsdrama, eine schweizerisch-deutsche Koproduktion, das Thema Fremdsein in der Schweiz nur marginal berührt, aber nicht zum Thema macht. Die Familie hätte auch nach Bayern oder Holland ziehen können. Das schweizerische Umfeld bleibt schlicht Kulisse.
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