Great Expectations Grossbritannien, USA 2012 – 128min.
Filmkritik
Grosse Erwartungen, unerfüllt
Charles Dickens wird besonders gerne verfilmt, oft mit Erfolg. Das gilt leider nicht für Mike Newells Aufguss des Bildungsromans Great Expectations. Was als Lesestoff noch immer packendes Sittenbild und emotionale Lovestory im von sozialen Gegensätzen geprägten viktorianischen Zeitalter ist, verkümmert zum zerdehnten, überdekorierten, oberflächlichen Kostümdrama. Trotz Staraufgebot.
Berichtet wird vom intelligenten Pip, der als Waise bei seiner Schwester und ihrem Mann, einem Eisenschmied, in der englischen Provinz lebt. Eines Tags begegnet der Bub einem entflohenen Sträfling und bewahrt ihn vor einer erneuten Festnahme. Dann wird er von einer reichen, exzentrischen Lady eingeladen, ihrer verwöhnten Tochter Estella Gesellschaft zu leisten. Als die gegenseitige Zuneigung der Kinder zu gross wird, unterbindet die Dame den Kontakt. Jahre vergehen bis ein anonymer Gönner den jungen Mann über einen Anwalt ins mondäne London lockt, wo er unentgeltlich zum Gentleman erzogen werden soll. Der vermeintliche Aufstieg ist der Beginn eines rauen Selbstfindungsprozesses und einer dramatischen Liebesgeschichte mit der wiedergefundenen Estella.
Regisseur Mike Newell (Four Weddings and a Funeral) setzt voll auf sein illustres Ensemble. Ralph Fiennes gibt den Verbrecher und späteren Wohltäter Magwitch weitgehend überzeugend, derweil die charismatische Helena Bonham Carter als traumatisierte Lady Havisham ihre Figur als Karikatur anlegt. Faszinierender ist die junge Holliday Grainger als unglückliche Estella und am überzeugendsten spielt der massige, aus Harry Potter-Filmen bekannte Robbie Coltrane den diabolischen Anwalt Mr. Jaggers. Und was ist mit Pip, der seinen Spagat zwischen proletarischer Tölpelhaftigkeit und Aufsteigerarroganz plausibel spiegeln soll? Der aparte, junge Jeremy Irvine (War Horse) hat starke Momente, wirkt aber wie fast alle Charaktere zum Ende hin farbloser.
Der Stoff ist schon fast 20 Mal verfilmt worden, wobei 1946 Regisseur David Lean und 2011 eine BBC-TV-Serie die Massstäbe gesetzt haben. Beide Male ist es gelungen, Dickens Themenvielfalt, seiner komplexen Erzählstruktur, der Kraft seiner Figuren Herr zu werden. Newell aber hat keine überzeugende Form gefunden und quetscht das Geschehen in ein aufgepepptes Dekor-Korsett. Zwar wird die Handlung zügig eingeführt, verliert dann aber den Rhythmus, wird schleppend und spannungslos und versickert im Meer des Gefühlspathos. Da müssen selbst treue Dickens-Liebhaber ernüchtert erkennen, wie grosse Erwartungen pulverisiert werden.
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Kommentare
Das Setting (düster, viktorianisch angehaucht) hat mir sehr gefallen. Es erinnert ein wenig an die Neuverfilmung von Dorian Gray. Die Geschichte an sich ist spannend, aber teilweise auch etwas langatmig.
Schade, habe mir schon mehr versprochen. Keine Leidenschaft, keine Spannung und eine eigenartige Geschichte, unblaubwürdig, eine Spielerei, eine Schwärmerei und ziemlich düstere Figuren, dann regnets noch meistens in London! Die beiden Hauptdarsteller liessen sich noch "sehen", aber sonst........ naja...… Mehr anzeigen
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