Heiter bis wolkig Deutschland 2012 – 100min.

Filmkritik

Bittersüsse Tragikomödie

Walter Gasperi
Filmkritik: Walter Gasperi

Wenn ein cooler Aufreisser (Max Riemelt) einer todkranken jungen Frau (Jessica Schwarz) begegnet, ist ein Balanceakt zwischen Komödie und Drama vorprogrammiert. Marco Petry bewältigt diesen Spagat dank eines starken Ensembles sicher.

Hauptinteresse der Kantinenköche Tim (Max Riemelt) und Can (Elyas M'Barek) ist es, Frauen aufzureissen. Um ans Ziel zu kommen, gaukeln sie dem ins Auge gefassten Objekt der Begierde vor, dass der Freund todkrank sei, nur noch wenige Monate zu leben habe und als letzten Wunsch gerne noch einmal mit einer Frau schlafen möchte. Auch die Logopädin Marie (Anna Fischer) fällt auf diese Mitleidsmasche herein. Doch zur gemeinsamen Nacht mit Tim kommt es nicht, liegt doch Maries tatsächlich todkranke Schwester Edda (Jessica Schwarz) im Nebenzimmer. Für Tim ist der Fall rasch erledigt, die Handynummer wird entsorgt. Doch Marie meldet sich bald wieder.

Die Handlung ist recht vorhersehbar und die Erzählweise zwar flüssig, aber wenig stringent. Statt konsequent die Geschichte zu entwickeln wirkt die Szenenfolge teils beliebig. Innerhalb der einzelnen Szenen ist Marco Petrys Tragikomödie aber stimmig. Geschickt hält er die Balance zwischen witzigen und dramatischen Momenten, geht leichthändig, aber nie leichtfertig oder peinlich mit dem ernsten Thema um, regt zum Lachen ebenso wie zum Weinen an.

Petrys Kapital sind seine HauptdarstellerInnen. Während Elyas M'Barek als Can das Klischee des nur an schnellen Sex denkenden, noch nicht wirklich erwachsenen Aufreissers bedient, vermittelt Max Riemelt einfühlsam und überzeugend Tims Wandlung vom leichtlebigen Schlitzohr zum mitfühlenden und verantwortungsvollen Freund.

Anna Fischer macht das Beste aus der undankbaren Rolle der süssen und gutherzigen Marie, die von ihrer todkranken Schwester Edda, die die Triebfeder und das Herz des Films ist, an den Rand gedrängt wird. Grossartig ist Jessica Schwarz in dieser Rolle, die zwischen erschütternder Todesangst und nach aussen zur Schau gestellter Unbekümmertheit, Lebensgier und Resignation, Niedergeschlagenheit und verzweifeltem Aufbäumen pendelt. Wie es Petry dabei gelingt, den Zuschauer trotz des vorherzusehenden tragischen Endes zwar vielleicht etwas melancholisch, aber letztlich doch gut gelaunt aus dem Kino zu entlassen, gehört zu den nicht zu unterschätzenden Stärken dieser ebenso witzigen wie ergreifenden Tragikomödie.

04.10.2012

4

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

Heptig

vor 12 Jahren

Nomen est omen. Der Name könnte nicht besser gewählt worden sein. So eine absolut bestens performte Kehrtwende von Komödie zur Tragödie habe ich noch nie so spannend erlebt. Der Film ist sehr zu empfehlen. Tipp: mind. 1 Papiertaschentuch mitnehmen, für Frauen: 1 Packung.


güx

vor 12 Jahren

Guter Film mit tollen Darstellern, keine Sekunde langweilig. Allerdings kam ich nie ganz über die doch sehr makabere Ausgangslage (Krankheit vortäuschen, um Frauen abzuschleppen) hinweg. Der Film versucht die Kehrtwende zum ernstzunehmenden Drama, welche leider in meinen Augen unglaubwürdig bleibt, weil zu wenig subtil gemacht. Aus diesem Grund hat mich "Heiter bis wolkig" nicht sonderlich berührt.Mehr anzeigen


Mehr Filmkritiken

Venom: The Last Dance

Typisch Emil

Anora

Tschugger - Der lätscht Fall