Thérèse Desqueyroux Frankreich 2012 – 110min.

Filmkritik

Gepflegt, aber ohne Leidenschaft

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Literaturverfilmung mit Audrey Tautou: Claude Miller inszeniert die Emanzipationsgeschichte der Thérèse Desqueyroux als sanftes Sittengemälde, das dem Roman von François Mauriac aber nur phasenweise gerecht wird. Gepflegt, gut bürgerlich, aber auf die Dauer etwas langweilig.

Sie sind füreinander bestimmt, der wohlhabende Landbesitzer Bernard Desqueyroux (Gilles Lellouche) und die attraktive Nachbarin Thérèse. So war es Sitte: Die Eltern arrangierten die Vermählung ihrer Kinder, um Besitz zu wahren und zu erweitern. So auch in dieser Bordeaux-Gegend um 1920. Bernard ist ein leidenschaftlicher Jäger wie auch seine Schwester Anne (Anaïs Demoustier), und ist stolz auf seinen auf 4500 Hektaren angewachsenen Kiefernwald.

Thérèse macht es sich im komfortablen Nest bequem, fügt sich dem familiären Standesdünkel, wird Mutter und Mitwisserin der Liebschaft ihrer Schwägerin Anne. Die hat sich in den hübschen Nachbarn Jean Azevedo (Stanley Weber), einen Juden, verknallt. Diese Liebelei ist freilich der Familie ein Dorn im Auge, Anne wird quasi aus dem Verkehr gezogen. Thérèse, Annes Vertraute, spielt dabei eine etwas undurchsichtige Rolle. Dieses Intermezzo öffnet Thérèse die Augen und weckt Gelüste. Sie ist gelangweilt, kann auch mit dem eigenen Kind nicht viel anfangen. Die Sehnsüchte, aus der Enge auszubrechen, werden immer grösser. Paris – das wäre etwas.

Nach einem bedrohlichen Waldbrand 1929 entzündet Thérèse selber ein Feuer und versucht, ihren Ehemann zu vergiften. Das aber so naiv, dass man ihr schnell auf die Schliche kommt. Um den Schein zu wahren und seine Frau vor dem Gefängnis zu schützen, leistet Bernard einen Meineid. Die Täterin verkümmert, säuft, raucht, vegetiert dahin.

Audrey Tautou, bei der einem die liebreizende Filmheldin Amélie nicht aus dem Kopf gehen will, verkörpert diese zwielichtige Frau zwischen Luxus und verdrängter Leidenschaft. Sie erweist sich in dieser Rolle weder als Sympathieträger noch reines Opfer. Sie bleibt seltsam blass und bieder. Gespielt scheint ihre Leidenschaft, da kommt kein Feuer auf.

Die Literaturverfilmung, basierend auf dem Roman von Nobelpreisträger François Mauriac, ist zu Claude Millers letztem Film geworden; er starb im April 2012. Filme mit Frauen waren seine Stärke, Garde à vue (1981) mit Romy Schneider beispielsweise oder Mortelle Randonnée (1983) mit Isabelle Adjani. Zum Abschied also «Thérèse Desqueyroux» mit Audrey Tautou - kein bewegender Film, eher ein zurückhaltendes provinzielles Sittengemälde und müder Nachruf auf die Zeit zwischen 1920 und 1930.

03.09.2024

3

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Kommentare

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seeyouto

vor 11 Jahren

Interessanter Auftakt eines Dramas. Die Schöne heiratet den Reichen. (Obwohl sie ja nicht arm war und er nicht schön). Naja, so nimmt es seinen Lauf. Man sieht von Anfang an, dass da keine Liebe im Spiel war und sie nicht erfüllt von einem solchen Leben mit Etikette und Regeln. Es wird dann aber doch zuviel der Dramaturgie, wenn man fast den ganzen Film ihre offensichtliche Depression mitverfolgen muss. In dieser eigenartigen "Ehe", die nach aussen intakt bleiben sollte.....
Wer schwelgen will in den 20er Jahren der Depression..........Mehr anzeigen


zuckerwättli

vor 11 Jahren

klassisch schön, aber auch nicht wirklich aufregend speziell.


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