Natascha Kampusch - 3096 Tage Gefangenschaft Deutschland 2013 – 111min.
Filmkritik
Unter Tage
Gewalt und Terror, aber auch Lächeln, gar leises Glück: 3096 Tage trägt den Fall Natascha Kampusch nicht zuletzt in seiner ganzen Ambivalenz an einen heran.
Ein entschlossenes Zupacken, einige Minuten Autofahrt, und: Gefangen. Wolfgang Priklopil (Thure Lindhardt) klaubt sich die zehnjährige Natascha Kampusch (Amelia Pidgeon) von der Strasse wie eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank. In einem kleinen Bunker fristet das Mädchen fortan ein abgedichtetes Dasein, stets zurechtgewiesen von ihrem Peiniger, mit Worten und mit Schlägen.
Es vergehen die Tage, die Jahre. Der biedere Priklopil hat aus dem pummeligen Mädchen ein dürres geformt – manchmal entzieht er ihm tagelang das Essen. Als Natascha erst mit 14 (nun stark von Antonia Campbell-Hughes verkörpert) ihre Periode bekommt, raunt er: "Jetzt schon?" Bald wird sie zu seiner sexuellen Begehrlichkeit, zu seiner Unten-ohne-Köchin oder zur Oben-ohne-Handlangerin beim Ausbau eines Zimmers. Brechen aber lässt sich die Gefangene nicht.
Natascha Kampusch: Kaum jemandem ist der Name nicht ein Begriff. Die mediale Eruption ihres Falles im Herbst 2006 war gewaltig, und es bedurfte keiner blühenden Fantasie, damals schon das Film-Potenzial dieses abartigen Verbrechens zu bemerken. Sechs Jahre später ist die Verfilmung nun Tatsache. Sie wäre schon früher zustande gekommen, wäre der deutsche Filmmogul Bernd Eichinger nicht im Januar 2011 plötzlich verstorben. Ruth Toma vollendete sein Skriptfragment, während Sherry Hormann (Wüstenblume) den Regieposten übernahm. Sie inszeniert 3096 Tage behutsam, wenngleich mit einigen unnötigen Stilmätzchen, wie etwa den Zeitlupen-Passagen. Und wo wir schon mal bei unnötig wären: Nicht nur beim Natascha-Papa Roeland Wiesnekker verlassen die Worte seltsam verbogene Lippen. Mit Augenmerk auf den internationalen Markt wurde in Englisch gedreht und dann Deutsch synchronisiert. Das irritiert bei einer sich in Österreich zutragenden Geschichte gleich doppelt.
Unangenehm berührt einen natürlich aber vor allem der Inhalt. Doch sind dabei gerade die Szenen der Einmütigkeit fast schwerer zu ertragen als die der brüsken Gewalt. Es gibt einige Momente in 3096 Tage, da scheinen sich Opfer und Täter auf der gleichen Ebene zu begegnen. Da lächelt das Mädchen und der "Junge" lächelt zurück, da scheint Natascha sogar dem erzwungenen Sex etwas Lustvolles abgewinnen zu können, oder zumindest abringen zu wollen.
3096 Tage ist ein bedrückendes Werk, dem man weder gross Qualität noch Authenzität absprechen kann. Wenn, dann kann man seine grundsätzliche Daseinsberechtigung anzweifeln. Der Film wurde zwar von Natascha Kampusch abgesegnet. Das schliesst indes nicht aus, dass man hier zum Voyeur wird, dass man eigene Vorstellungen anhand der Medienberichte tunlichst mit den "wahren" Bildern abgleichen, gar austauschen will. Den wahren Schrecken einer solchen Tat kann ohnehin kein Film reproduzieren.
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Kommentare
Da es von einer wahren Geschichte stammt finde ich es echt berührend.
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