A Single Shot Kanada, Grossbritannien, USA 2013

Filmkritik

Kein Blattschuss

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

Ein fatales Versehen setzt in einem kleinen amerikanischen Nest eine Gewaltspirale in Gang. Die Filmadaption des Romans A Single Shot erweist sich insgesamt jedoch als nicht sehr zielsicher.

John Irving tat es mit The Cider House Rules, Bret Easton Ellis mit The Informers, und auch Matthew F. Jones adaptierte seinen Erfolgsroman A Single Shot gleich selbst als Drehbuch. Die tiefe Vertrautheit mit der eigenen Vorlage mag grundsätzlich als Vorteil erscheinen - hier aber wird sie zum Problem.

Dabei startet der Film mit einer starken Anfangssequenz. Scheinbar in Zeitlupe pirscht sich John (Sam Rockwell) durchs Dickicht an ein Reh heran. Zielt, schiesst, verfehlt. Das Tier flieht, er rennt ihm nach. Stoppt. Ein Rascheln. Er dreht sich und schiesst. Dreht sich nochmals, schiesst nochmals. Stöhnen, keuchen. Hinter einem Busch entdeckt John eine junge Frau, ihre letzten Atemzüge machend.

John ist konsterniert ab seiner Tat. Doch sich stellen, nein, dass kommt für den rauhen Naturburschen nicht in Frage. Die Leiche lässt er verschwinden, und die hohe Geldsumme, die er im naheliegenden Versteck der Erschossenen findet, streicht er ein. Er kann sie gebrauchen: Arbeit hat der Mann schon länger nicht mehr, auch deshalb hat ihn die Frau mitsamt Kind verlassen. Mit dem Geld will er sein Leben gerade richten, die Familie zurückgewinnen, man darf sagen: zurückkaufen. Doch ist die Gewaltspirale bereits in Bewegung gesetzt, und bald wird John von einem Unbekannten terrorisiert, der über sein Vergehen Bescheid weiss.

A Single Shot steht ganz in der Tradition neuer amerikanischer Indie-Filme wie Shotgun Stories, Frozen River oder Winter's Bone. Karge Landschaften mit kargen Farben und karge Geiste in kargen Siedlungen bestimmen dieses Werk, das wegen der ständig wechselnden Besetzung jahrelang auf Eis lag. Als John hätte ursprünglich Michael Fassbender die Flinte in die Hände nehmen sollen. Dann Alessandro Nivola. Schlussendlich stellt nun Sam Rockwell diesen harten, spröden und doch auch sensiblen Menschen dar.

Rockwells glanzvolle Verkörperung einer glanzlosen Seele ist als Teilentschädigung für diesen ziemlich missglückten Redneck-Thriller zu betrachten. Jones versuchte offensichtlich, jeden Charakter des Buches in den Film zu packen und musste demzufolge praktisch alle Figuren flach anlegen – so greifen mitunter kaum umrissene Charaktere entscheidend in die Handlung ein. William H. Macys überzeichneter Anwalt scheint überdies ganz und gar überflüssig.

Man muss zudem nicht mit dem Buch vertraut sein, um zu merken, dass Jones seine Geschichte nicht immer an den richtigen Stellen verdichtet hat. A Single Shot ist so manchmal einfach nur Geschwätz ohne viel Inhalt. Zugegeben: Der Film besitzt Momente der Spannung. Die stille Intensität der Anfangssequenz kann er leider aber zu keiner Zeit mehr reproduzieren.

21.05.2013

2

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