Akte Grüninger - Die Geschichte eines Grenzgängers Österreich, Schweiz 2013 – 90min.
Filmkritik
Ein Freund und Helfer
Polizeihauptmann Paul Grüninger brach das Gesetz, um vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zahlreiche Juden zu retten. Alain Gsponer (Der letzte Weynfeldt) hat die Geschichte um den Oskar Schindler der Schweiz verfilmt.
Im Februar 1939 wird die Schweizer Landesausstellung in Zürich mit den Worten "Die Schweiz als Zufluchtsort Vertriebener, das ist unsere edle Tradition" begleitet. Gleichwohl sind die Grenzen Helvetiens seit einem halben Jahr für jüdische Flüchtlinge geschlossen. Dass das Flüchtlingslager im st. gallischen Diepoldsau bis in diesen Februar hinein trotzdem stetig anwächst, dafür ist der Polizeihauptmann Paul Grüninger (Stefan Kurt) verantwortlich. In einem aussergewöhnlichen humanitären Akt nimmt er die illegalen Einwanderer temporär auf und fälscht deren Akten. Ein Unterfangen auf Zeit, denn als einer seiner Komplizen ins Fadenkreuz von Bundesbern gerät, bekommt Grüninger es mit dem kühlen Polizeiinspektor Robert Frei (Max Simonischek) zu tun. Bald schon stösst Frei zur Wahrheit vor, gerät damit aber selbst unversehens in einen Konflikt.
Lange Zeit geächtet, wurde Paul Grüninger erst in den 90er Jahren als Held anerkannt. Unter der Regie von Alain Gsponer schafft Stefan Kurt dem biederen, gleichwohl aber an seinen Prinzipien festhaltenden Grüninger ein gebührendes Leinwand-Ebenbild. Die erzählerische Triebfeder ist jedoch nicht er, sondern Max Simonischeks Inspektor Frei. Der Antagonist mit der scheinbar unkorrumpierbaren Aura kommt den Machenschaften zwar so schnell auf die Schliche, dass seine Ermittlungen kaum Spannung erzeugen. Doch liegt der wahre erzählerische Nutzen der Figur Frei woanders, nämlich in der sich immer lauter formulierenden Frage der Moral.
Wird deren Antwort unausweichlich, war man bereits Zeuge zahlreicher Von-Mann-zu-Mann-Konfrontationen und einer Handvoll eingeschobener Archivaufnahmen. Die sind ein Unding: Der Film scheint seine geschichtliche Grundlage nachweisen zu müssen. Das passt ins Bild eines Werkes, das es sich auch in der Unterteilung zwischen guten und weniger guten Menschen einfach macht. 75 Jahre später ist es gewiss leicht, aus dem bequemen Kinosessel mit dem Finger auf jeden Beamten zu zeigen, der Anordnungen von Oben ausführt. Jeder davon ein Feigling, ein Mitläufer? Oder um es weiter zu führen: All die Soldaten, die später im Krieg zu kämpfen hatten, Menschen ohne eigenen Willen, ohne Gewissen? Akte Grüninger zwingt einem diesen Schluss beharrlich auf.
Gut gespielt mag das Drama sein. Doch kommt keine schauspielerische Leistung an das Auftreten der Zeitzeugen heran, die vor 16 Jahren in Richard Dindos Dokumentarfilm Grüningers Fall mitwirkten. Seine filmische Rehabilitation hat Paul Grüninger also längst erfahren.
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Kommentare
Ein guter Film, der auch die dunklen Seiten der Schweiz bezüglich der Aussage "Das Boot ist voll! " beleuchtet.
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