Hotell Dänemark, Schweden 2013 – 100min.

Filmkritik

Verlorene finden sich

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Eine schwierige Geburt mit Folgen: Erika, die traumatisierte Mutter, flieht vor sich und der Wirklichkeit, Sie sucht Zuflucht in einer Therapiegruppe und animiert zu einer Hotelreise, die zur Selbstfindung führt. – Die Schwedin Lisa Langseth inszenierte ein intimes Therapie- und Psychodrama.



Ein Notfall. Sie ist nicht bereit, als die Wehen eintreten. Sie hatte einen Termin für Kaiserschnitt, wehrt sich nun vehement gegen eine natürliche Geburt. Erika (Alicia Vikander) rastet aus. Ihr Mann Oskar (Simon J. Berger) ist machtlos, als sich sie sich vom Söhnchen Alexander abwendet, das infolge von zu wenig Sauerstoff bei der Geburt einen Hirnschaden erlitten hat. Erika kapselt sich ab und flieht die Wirklichkeit. Sie kann mit ihren Gefühlen nicht umgehen und sucht Halt in einer Therapiegruppe. Dieser Kreis – zwei Männer und drei Frauen – hat eines gemeinsam: Jeder, jede möchte anders sein und die eigenen Gefühle in den Griff bekommen. Rikard (David Dencik) etwa hat einen Mutterkomplex, schwärmt von den Maya und sucht die Nähe Erikas. Die ältliche Pernilla (Anna Bjelkerud) hasst ihren Körper, fühlt sich ungeliebt und sehnt sich nach sexueller Erfüllung. Die unschuldig-naive Ann-Sofie (Mira Eklund) giert nach Zuneigung, Verständnis, Liebe. In Peter (Henrik Norlén) findet sie einen Verbündeten, freilich einen, der sich seine wahre Identität verheimlicht. Er heisst in Wahrheit Henke und hat Familie.Erika animiert die Gruppe, gemeinsam auf eine Hotelreise zu gehen Sie empfindet ihr Inneres als Hotel, in dem sie ihr Zimmer bestimmen und sich finden möchte, aber nicht kann. Und so quartiert sich das Quintett in ein Hotel ein, bekennt offen die eigenen Bedürfnisse, Hemmnisse und Träume. Maya-Fan Rikard liebt es, Schmerz zu ertragen und standzuhalten. Pernilla bekommt ihren Quickie und Ann-Sofi verliebt sich in Peter. Man lernt sich schätzen, hilft sich, stärkt sich.

Fünf Menschen, die in ihrem Leben gefangen sind und sich nicht befreien können. Sie hassen sich selbst und möchten anders sein. Das Hotel wird zur Metapher für Kommen und Gehen und Sichfinden. Das melodramatische Therapiedrama ist ganz auf Menschen eingestellt, die nicht aufgeben, sich selbst zu finden. Der Filmerin aus Stockholm gelingt es mit viel Einfühlungsvermögen, die Lebenskrise ihrer Figuren plausibel und spannend darzustellen – bis hin zur Katharsis. Eine eindrückliche Ensembleleistung, wobei besonders Alicia Vikander, rehäugig und verletztlich, als depressive, in sich gekehrte Mutter hervorsticht. In seiner Problematik, Klarheit und Intimität erinnert Langseths subtiler Spielfilm an einige Beziehungsdramen Bergman’scher Prägung.

12.05.2014

4

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