Il capitale umano Frankreich, Italien 2013 – 109min.
Filmkritik
Kapitalismuskritik als Placebo
Der Mensch hat - je nach Aspekt und Situation - einen unterschiedlichen Wert. Dieser altbekannte Zusammenhang bildet den Kern des Romans "Human Capital", der von Paolo Virzì zu einem Drehbuch umgarbeitet und aufwendig inszeniert wurde. Die kapitalismuskritische Geschichte erinnert in ihrer Einfachheit und Ökonomie an die sozialkritischen Dramen von Ken Loach, bei denen Ursache und Wirkung kurzgeschlossen werden. Bei Virzì ist die Diskrepanz zwischen Aufwand und Ertrag allerdings ungesund groß, so dass die beabsichtigte Gesellschaftskritik nur in homöopathischen Dosen appliziert wird.
Der Aufwand, den Regisseur und Drehbuchmitautor Paolo Virzì und seine Leute treiben, um die Relativität des Wertes eines Menschen zu zeigen, ist beträchtlich: Hochglanzbilder von der Oberschicht, Standardbilder von der Mittelschicht und Schmuddelbilder von der Unterschicht. Das war alles recht teuer und sieht auch so aus - vor allem, weil die Kamera deutlich lieber bei den allesamt sehr schönen Reichen als bei den weniger Glücklichen verweilt.
Gespart wurde dagegen am Drehbuch, und es wurde auch schlampig umgesetzt. Die simple Konstruktion der ineinander verwobenen Handlungsstränge erinnert an Ken Loach, die opulente Inszenierung und die lose Schauspielerführung leider nicht. Das blasierte Spiel Valeria Bruni Tedeschis sowie übertriebenes und unmotiviert wirkendes Agieren anderer Schauspieler fällt in diese Kategorie. Falsche Klänge auf der Tonspur, miserabel gefilmte Tennisszenen und unplausible "Zufälle", die der Handlung die nötigen Wendungen aufzwingen komplettieren diesen unvorteilhaften Eindruck.
Die Geschichte um einen Verkehrsunfall, der immer weitere Kreise zieht, wird aus drei Blickwinkeln erzählt, diverse Szenen werden so unterschiedlich gezeigt und interpretiert. Der Ansatz ist nicht neu, aber Virzì nutzt ihn leider nur, um das Publikum in die Irre zu führen, ohne dass sich dadurch ein Wert für das Verständnis ergibt. Die Kritik an der im juristischen System üblichen Berechnung des finanziellen Wertes eines Menschenlebens transportiert sein Werk nicht, sie wird am Ende, mit Zahlen konkretisiert, von einer Stimme im Hintergrund formuliert. Sein Werk will keine emotionalen Kratzer hinterlassen, Virzì will niemandem wirklich wehtun, die Figuren mit Publikumsbindung kommen mehr oder weniger ungeschoren davon. Die Nebenwirkungen sind gering: Die Operation war zwar schlimm, aber wegen der tollen Narkose kann man sich an nichts erinnern.
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Kommentare
Sehr guter italienischer Film. Man lernt etwas über unser Nachbarland und kriegt Anregungen zum Nachdenken.
Ein kluger Film sehr gut interpretiert. Valeria Bruni Tedeschi hervorragend. Mal italienisches Kino mit Kopf.
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