Miele Frankreich, Italien 2013 – 96min.

Filmkritik

Sterbehelferin in Not

Beatrice Minger
Filmkritik: Beatrice Minger

Irene (Jasmine Trinca) begleitet Angehörige von todkranken Menschen beim Sterben. Als ein zwar depressiver, aber physisch gesunder Mann ihre Hilfe anfordert, wird der Sinn ihrer Tätigkeit in Frage gestellt.

Unter dem Pseudonym "Miele" begleitet Irene unheilbar kranke Menschen und ihre Angehörigen bei der Sterbehilfe. Das freiwillige Sterben folgt einem festen Ritual. Die Patienten müssen das Gift – eine Substanz, die dazu dient, Hunde einzuschläfern - selbst zu sich nehmen, die Angehörigen stellen es auf dem Nachttischchen bereit. Im Hintergrund läuft das Lieblingslied, das sich die Patienten ausgesucht haben. Irene agiert mit einer selbstlosen und nüchterner Distanz. Emotionen sind in diesem Beruf unprofessionell, es wird fest vorgeschrieben, welche Worte sie benutzen darf und welche nicht.

Sterbehilfe ist in Italien verboten. Irene führt daher ein Doppelleben. Ihre Familie und Freunde glauben, sie studiere, nicht mal ihr Freund weiss, wie Irene ihr Geld verdient. Als Monsieur Grimaldi (Carlo Cecchi) ein zwar gesunder, aber lebensmüder älterer Herr ihre Dienste anfordert, gerät Irene ins Wanken. Verzweifelt versucht Irene Grimaldi von seinem Vorhaben abzuhalten. Darin lernt sie den geistreichen und charmanten älteren Herrn näher kennen und stösst dabei an die Grenzen ihres sorgsam zusammengestellten und mit guten Absichten untermauerten Rechtfertigungs-Gerüsts.

Mit Amour hat Michael Haneke zuletzt das Thema Euthanasie mit all seinen ethisch-moralischen und psychologischen Fragestellungen eindringlich auf die Leinwand gebracht. Valeria Golino hat für Miele eine andere Erzählperspektive gewählt. Statt das Einzelschicksal eines todkranken Menschen und dessen mitleidenden Angehörigen rückt sie die Helferin ins Zentrum, die Sterbehilfe in Serie ausübt und mit dieser emotional belastenden Aufgabe versucht umzugehen.

Valeria Golino war in den 90er Jahren vor allem als eine der erfolgreichsten europäischen Frauen im amerikanischen Kino bekannt (Rain Man, Hot Shots oder Leaving Las Vegas). Mit Miele, für das sie auch das Drehbuch geschrieben hat, ist ihr ein eindrückliches Regiedebut gelungen, das 2013 in Cannes hoch gelobt wurde. Sie hat eine komplexe und unkonventionelle Frauenfigur geschaffen, die nicht nur äusserlich ein Doppelleben führt, sondern auch ihr Innenleben so organisiert, dass ihr Mitgefühl und Zweifel nicht in die Quere kommen. Sinnbildlich dafür ist ihr Herz, das ohne medizinischen Befund plötzlich beginnt wie wild zu schlagen, um sich so Gehör zu verschaffen.

15.07.2014

4

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