Tableau noir Schweiz 2013 – 120min.
Filmkritik
Mit der Schule stirbt der Berg
Sein Name ist unauslöschlich mit dem liebenswürdigen Fluchtfilm Les petites fugues aus dem Jahr 1979 verbunden. Nun dokumentiert der Lausanner Yves Yersin das Ende einer Bergschule am Fusse des Jura. Eine kleine Schülerschar muss vom geliebten Lehrer Gilbert Hirschi Abschied nehmen.
Ein Wandtafel hat dem Film seinen Titel gegeben: Tableau noir. Mit Kreide werden die Zwischentitel in Schönschrift vorgeführt: Weiss und Rot bis zum Grau am Ende. Am Anfang des Schuljahrs wählt die klitzekleine Klasse ihren Gruppenchef - und Cloé gewinnt. Die «Grossen» müssen sich um die Kleinen kümmern, im Unterricht wie beim Anschnallen der Skis. Dabei handelt es sich um weniger als ein Dutzend Schüler und Schülerinnen. Die lernbegierigen Kinder aus dem Bergnest Derrière-Pertuis haben Spass am Kneten, Malen, Lesen oder Rechnen.
Lehrer Gilbert Hirschi diktiert, orientiert, animiert und tröstet, wenn eine Schülerin ob der zahlreichen Fehler beim Diktat in Tränen ausbricht. Man unternimmt eine Schulreise an den Walensee, nach Einsiedeln, wo ein Pater Fragen nach dem Sinn des Gebets stellt, eine Erstklässerin sich aber mehr für die Bedeutung Strahlenkranz um eine Jesusfigur interessiert. Schulalltag wie aus dem Lehrbuch oder einer idealisierten Darstellung? Keineswegs, sondern Alltag im Dorf am Jurafuss im Kanton Neuenburg. Doch die Schulidylle ist bedroht durch ein behördliches Damoklesschwert. Das interkommunale Schulhaus soll geschlossen werden. Zu wenig Schüler, zu grosser Aufwand.
Und mittendrin Gilbert Hirschi (62), Schulbusfahrer, Spielkamerad, Respektperson, verständiger Lehrer und väterliche Vertrauensperson. So einen Lehrer wünschte sich mancher Schüler. Yves Yersin hat die kleine Schülerschar samt ihrem Patron über ein Jahr begleitet.Wie selbstverständlich ist die Kamera dabei. Die Kinder ignorieren sie, liebäugeln nicht mit ihr, setzen sich nicht in Szene. Alles wirkt natürlich wie die Jahreszeiten, wie die Freude über eine gute Note oder der Abschiedsschmerz. Es sind die bewegende Elemente, die eingefangen werden - über die Gesichter der Kinder und des Schulleiters. Die bewegenden Momente und Beschreibung des Schulentwicklung bekommen zusätzlich eine tiefere, philosophische und menschliche Dimension. Ein Dorfbewohner sagt einmal: "Wenn die Bergschule schliesst, stirbt auch der Berg."
Hier geht etwas unwiederbringlich verloren: ein gelebter Zusammenhalt, eine natürliche Solidarität. Diese wertebildende Lebensschule wird eleminiert - durch Bürokratie und demokratische Entscheide. Das beschreibt Yersin sehr einfühlsam, verständig und sanft kritisch, wobei die Frage bleibt: Muss alles nach Leistung, Aufwand und Ertrage, nach Kalkulation und Buchhaltung ausgerichtet und entschieden werden?
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Kommentare
Ein wunderbarer Film, welcher eindrücklich aufzeigt, dass Schule selbst das Leben ist, nicht nur ein Ort, wo man über das Leben spricht. Ergreifend menschlich und authentisch. Leicht verständliche, praxisbezogene Pädagogik. Schulalltag szenisch und filmisch feinfühlig eingefangen unter subtilem Einbezug der ländlichen näheren Umgebung samt ihren geopolitischen Themen und Ränkespielen. Ein Meisterwerk, das auf vielen Ebenen zum Nachdenken anregt!… Mehr anzeigen
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