The Congress Belgien, Frankreich, Deutschland, Israel, Luxemburg, Polen 2013 – 122min.
Filmkritik
Die Diktatur des Entertainment lässt bitten
Der israelische Filmemacher Ari Folman adaptiert einen Science-Fiction-Klassiker von Stanislaw Lem und ersetzt dessen Allegorie der kommunistischen Ära durch eine diktatorische Unterhaltungsindustrie. Auch ästhetisch nimmt sich Folman alle Freiheiten bei der Umsetzung seines Sujets: Spielfilm, Animationsfilm und unzählige Referenzen aus der Pop- und Kinowelt verwebt er wortwörtlich beflügelnd ineinander.
The Congress lässt sich nur schwer zusammenzufassen. Zu Beginn die Grossaufnahme des tränenüberströmten Gesichts der Protagonistin: Robin Wright spielt sich im Film gleich selbst. Die Starschauspielerin ist in die Jahre gekommen, ihre Karriere stagniert. Ihr Filmstudio verlangt von ihr, sich digitalisieren zu lassen und somit auf der Leinwand unsterblich zu werden. Die Geschichte entwickelt sich anfangs klassisch geradlinig, gibt sich dann aber immer mehr einer fantastischen Welt hin, in der sich der rote Faden zum Teil verliert. Damit folgt der Film ästhetisch einem Sujet: der Eintritt in eine unbekannte Welt mit eigenen Regeln und vielen, vielen Undurchdringlichkeiten, kurz die Zukunft.
Der erste Teil des Films ist ein klassischer Spielfilm und zeigt den moralischen Kampf Robins mit ihrem Agenten (Harvey Keitel) und dem Boss des Filmstudios (Danny Huston) über die Vertretbarkeit des Aktes sich entmaterialisieren zu lassen und damit willenlos den Wünschen der Studiobosse ausgeliefert zu sein. Sodann macht der Film einen Sprung in Zeit und Style und landet in den futuristischen 2030er-Jahren: Mit dem Eintritt Robins in das Reich ihres Arbeitgebers, der sie zu einem Kongress geladen hat, betritt sie eine "strictly animated zone". Das ist absolut zweideutig gemeint. Alle Figuren sind nun gezeichnet und sollen sich fantastisch amüsieren. Im Verlauf des Kongress bricht jedoch eine Revolution aus, die Robin in den Wahnsinn treiben und ihr eine nochmals ganz neue Welt eröffnen wird...
In The Congress zielt Ari Folman auf viele wunde Punkt der Film- und Unterhaltungsindustrie: ihre Profitgier, ihr ausgefeiltes Starsystem, ihre Ausrichtung auf pure Zerstreuung, aber vor allem auf ihre Vergänglichkeit. Doch so futuristisch The Congress auch auf den ersten Blick erscheint, viele Kuriositäten in ihm sind heute bereits Alltag. Schauspieler werden längst digitalisiert, Animationsfilme fast nur noch ausschliesslich am Computer hergestellt. Doch es gibt Hoffnung. 2003 schloss Disney seine Zeichentrickabteilung, um sie vier Jahre später erneut zu öffnen. Der menschliche Strich im Film ist doch noch unersetzlich.
Die futuristische Geschichte mit zeitaktuellen Problemen gespickt, macht eine der Faszinationen von The Congress aus. Die zweite zieht der Film aus seiner visuellen Machart und deren Vernetzungsarbeit. Der animierte, zweite Teil präsentiert ein visuelles Feuerwerk an Ikonen der Pop- und Kinowelt. In einer Welt, in der es jedem frei steht seine Bestimmung auszuleben, wo dass Ego nicht mehr existiert, kann auch ein Michael Jackson das Essen im Restaurant servieren, schweben Jesuse durch den Raum, ist Jon Hamm ein romantischer Held, sitzt Grace Jones am Krankenbett... In der Zukunft von The Congress genügt es, eine Ampulle in der Apotheke zu kaufen und schon kann man das ersehnte Leben leben, irgendwo zwischen Yellow Submarine, Max Fleischer und M.C. Escher. Willkommen im Reich der Kunst des Unmöglichen! Willkommen in der "animated zone"!
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Kommentare
Herrlich wirres Augen- und Kopfkino - zudem eine sehr intelligente Parabel auf Hollywood und unsere Welt.
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