The Reunion Schweden 2013 – 88min.

Filmkritik

Unversöhnliche Begegnungen

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Ein Klassentreffen hat meist zwei Seiten: Es kann ein Anlass zum Feiern sein oder zur Abrechnung ausarten. Die schwedische Künstlerin Anna Odell inszeniert so ein Wiedersehen und seine Folgen – und spielt die Hauptrolle gleich selbst. Ein starkes Stück.

Wiedersehen macht Freude, sagt man so leicht hin. Es kommt drauf an, wen man wann und wozu trifft. Anders (Anders Berg) hat Mitschülerinnen und Mitschüler zu einem Klassentreffen zusammengetrommelt – 20 Jahre nach dem Schulabschluss. Man herzt sich, küsst und neckt sich. Die Stimmung steigt, bis unerwartet die Mitschülerin Anna (Anna Odell) auftaucht. Sie war nicht eingeladen.

Als erste Nostalgiereden geschwungen werden, ergreift Anna das Wort und schildert aus ihrer Sicht diese für sie bittere Schulzeit. Gehänselt, gemieden, genarrt und gemobbt wurde sie zur Aussenseiterin gestempelt, die man nicht ernst nahm. Sie war ein Nichts, wurde nicht wahrgenommen - neun lange Jahre lang. Alte Vorurteile und Wunden brechen auf, die Auseinandersetzung eskaliert, und Anna wird vor die Tür gesetzt. Ende des ersten Teils: "Die Rede".

Erst jetzt erfahren wir, dass Anna den Anlass aus ihrer Sicht inszeniert und gefilmt hat – mit sich sebst als unerwünschtem Gast. Was denken Mitschüler und Mitschülerinnen darüber? Anna, die Künstlerin, versucht sie mit dem Film zu konfrontieren, um sich ein Bild über die gemeinsame Zeit, Empfindungen und Verhalten zu machen. Doch «Die Treffen», so der Titel des zweiten Filmteils, finden nur teilweise statt. Die meisten gehen in Deckung und verleugnen sich, sie wollen (immer noch) nichts mit dieser unbequemen Frau und der Wahrheit zu tun haben.

Dabei spielt es keine Rolle, inwieweit Anna Odells reale Schulerfahrungen mit der investigativen Film-Anna zu tun haben. Die Auseinandersetzung um Vergangenheit und Gegenwart, Gruppenstruktur und Gruppenterror steht im Zentrum. Odell pendelt geschickt zwischen Fiktion und Realität, die Darsteller ihres Partyfilms sind dieselben wie bei der Befragung.

Das kleine alltägliche Drama fällt aus dem Kinorahmen, ist packend und entlarvend. Vor allem bleibt die starke suggestive Performance Anna Odells als Darstellerin im Gedächtnis haften. Ihr stechender Blick, ihre leidenschaftliche Eingabe: Sie ist Furie und verletzte Frau zugleich. Eindrücklich.

28.03.2024

4

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Kommentare

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willhart

vor 10 Jahren

Gespalten
Was bringt es wirklich, diese Konfrontation mit der Vergangenheit? Ich war anders als Teenager.
Man kann zwar Eingeständnisse abringen, aber zu welchem Preis!?


parasitlia

vor 10 Jahren

grossartig! Sehr emotionaler Film, man erlebt eine ganze Palette Gefühle im Kinosaal. Und einige können davon lernen.


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