Viva la libertà Italien 2013 – 94min.
Filmkritik
Das Leben und die Politik
Nach seiner Glanzvorstellung in Il Divo betritt Toni Servillo erneut das politische Parkett. Dieses Mal sogar in einer Doppelrolle: Als frustrierter Oppositionsführer und dessen labiler Zwillingsbruder, der sich plötzlich im Zentrum der Macht wiederfindet.
Enrico Oliveri (Toni Servillo), der Vorsitzende der wichtigsten Oppositionspartei Italiens, ist nicht zu beneiden. Seine Umfragewerte sinken, auf Parteiveranstaltungen wird er beschimpft, und aus den eigenen Reihen gibt es nur wenig Unterstützung. Kein Wunder also, dass sich der ausgebrannte Politiker eines Nachts zu einer Ex-Geliebten nach Paris absetzt. Um einen Eklat zu verhindern, bittet sein engster Vertrauter Bottini (Valerio Mastandrea) den Zwillingsbruder Giovanni (Toni Servillo), vorübergehend Enricos Platz einzunehmen. Der exzentrisch-depressive Philosoph lässt sich nicht zweimal bitten und bringt schon bald neuen Wind in den verkrusteten Politikalltag.
Unaufgeregt, aber pointiert erzählt Filmemacher Roberto Andò, der hier seinen eigenen Roman adaptiert, von Schein und Sein in der Politik, verpassten Chancen, großen Enttäuschungen, Träumen und Visionen. Das Italien der Gegenwart mit all seinen Problemen scheint dabei ebenso durch wie die Liebe zum Kino, für das sich Enrico früher einmal begeistert hat und dem er sich nach seiner Flucht ganz unverhofft zuwenden kann, da seine Ex-Freundin im Filmgeschäft tätig ist.
Zwischen den Schauplätzen alternierend, spielt Andò gekonnt mit den Möglichkeiten des Doppelgänger-Motivs, das in der Filmgeschichte schon so oft für komödiantisches Treiben herhalten musste, sich hier aber nicht auf bloßen Klamauk beschränkt. Vielmehr nimmt Viva la libertà seine Figuren ernst und kreiert gerade dadurch herrlich witzige Momente. Etwa wenn Giovanni bei seinem ersten Interview mit einer Ehrlichkeit aufwartet, die sein Bruder nie an den Tag gelegt hätte. Trotz ihres beschwingten Tonfalls gibt sich die Verwechslungskomödie nicht mit einfachen Antworten zufrieden. Spätestens gegen Ende wird deutlich, dass es eine Sache ist, die Menschen mit klaren Worten zu begeistern. Realpolitik zu gestalten ist allerdings eine ganz andere Herausforderung.
Dass der Film auf allen Ebenen funktioniert, liegt zweifelsohne an Servillos facettenreichem Spiel. Schon die ersten Einstellungen von Enricos Gesicht erzählen alles, was wir über die Erschöpfung und Enttäuschung des Politikers wissen müssen. Den plötzlich aufblühenden Giovanni interpretiert der Hauptdarsteller hingegen als unberechenbaren Schelm, der selbst die deutsche Bundeskanzlerin zu einem Tangotanz verführen kann.
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