Zum Säntis - Unterwegs mit Franz Hohler Schweiz 2013 – 70min.
Filmkritik
Es war einmal ein Hügel
Runder Geburtstag, halbrunde Sache: Franz Hohler schenkt sich zu seinem 70. eine Wanderung auf den Säntis, Freund und Filmemacher Tobias Wyss begleitet ihn mit der Kamera.
Der Gipfel ist nicht mehr weit, als Franz Hohler sich sein Handy schnappt und von Tobias Wyss telefonisch wissen will, ob seine Nachricht oben angekommen sei. Der Regisseur mochte sich den Schlussaufstieg nicht mehr antun und war mit der Gondel auf den Säntis geschwebt. "Die Hälfte ist geschafft. Dein Team", habe er gesimst, schmunzelt Hohler in die Kamera, und man darf sich verwundert die Ohren reiben. Seit wann ist der Star die ganze Mannschaft? Gehört der Regisseur nicht auch zum Team? Entblösst diese kleine Szene in vorletzter Minute ein Stück von Hohlers Natur, die er vorher erfolgreich zu verbergen wusste? Oder zeigt der Vieleskönner gerade, wie man eine SMS verfilmt?
Im Gleichschritt ausgezogen waren sie ein paar Tage zuvor; Hohler und Wyss sind Weggefährten seit Franz & René und Dünki-Schott, und es ist natürlich von einer sprach-komischen Richtigkeit, dass Hohler den Säntis als "seinen Hausberg" reklamiert, weil er ihn vom obersten Geschoss seines Hauses aus sehen kann. Eine unangemessene Art, die Schweiz neu zu vermessen, hat den selbsternannten "literarischen Allgemeinpraktiker" schon ausgezeichnet, als er noch mit dem unsterblichen "Totemügerli" durch das Land zog und eines nicht ausgestrahlten "Dienstverweigerers" wegen den Satire-Dienst beim Schweizer Fernsehen quittierte, wenigstens bis auf Weiteres.
"Denkpausen" sind naturgemäss auch die Bausteine dieses Off-Roadmovies, in dem sich zwei ältere Männer über weite Strecken beim Gehen und Sehen zuschauen lassen, beim Reden und Schweigen, beim Wandern und sich Wundern: noch in Oerlikon über das neue Hochhaus einer Schweizer Grossbank ("Für das händ's wieder Geld!"), an den Gestaden des Greifensees ("Ist das jetzt der Bachtel?") auch mal nur über eine Anhöhe in der Ferne. "Läuft die Kamera noch", erkundigt sich Hohler immer wieder. "Dazu möchte ich gerne etwas sagen."
Gedacht war der Film zu Hohlers 70. Geburtstag als improvisierter Geh-Dreh nach der Devise: "Schauen wir unterwegs, was passiert." Zur Sprache gebracht hätten sich so die verschiedenen Gemüter zweier Freunde: Hier Hohler mit seinen Büchern, Broten und einem Taschenmesser mit einem ungenauem Höhenmesser im Rucksack. Dort Wyss, dem die Anstrengung des Unterfangens Tag für Tag deutlicher ins Gesicht geschrieben steht und zusehends die Puste für ein kritisches Nachfassen fehlt. Verständlich: Er musste ja auch die Kamera scharf stellen.
Es hat dem Film nicht nur schlecht getan, dass man ihn - nicht ganz freiwillig – um dokumentarische Rückblenden, wichtige künstlerische Stationen und überraschende Begegnungen angereichert hat; weniger mit prominenten Kollegen (René sagt immer noch nichts) als mit einer Kuhherde, dem geliebten Cello und der lieben Familie. Es sind seine Söhne, die Hohler vor den Kopf stossen, als sie ihn nach seinem "ungelebten Leben" fragen und sich beim Nachtessen nicht mit einem nie geschriebenen Opern-Libretto abspeisen lassen. Da weiss sogar Franz Hohler einen Moment lang nicht weiter.
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