Das Deckelbad - Die Geschichte der Katharina Walser Schweiz 2014 – 96min.
Filmkritik
Ausgegrenzt und versorgt
(K)ein Heimatfilm: Eine Ausländerin im St. Galler Rheintal muss sich in der Mitte des letzten Jahrhunderts gegen Vorurteile, Behördenwillkür und Entmündigung wehren. Schockierend wahrhaftiger Spielfilm von Kuno Bont.
"Ungeheuer ist viel. Doch nichts ungeheuerer als der Mensch", so heisst es im Antikendrama "Antigone" von Sophokles. Was der Mensch dem Menschen durch alle Zeiten antat und antut – beispielsweise unter dem Deckmantel der Amtsgewalt und der Medizin – ist schier unglaublich. Beispiele aus der Schweiz: Zwischen 1935 und 1981 wurden Tausende von Männern und Frauen von Amts wegen ergriffen, entmündigt, entsorgt und behandelt – ohne Gerichtsurteile. Sie landeten in Gefängnissen, Erziehungs- und Psychiatrieanstalten, weil sie nicht gesellschaftlichen Normen entsprachen, weil sie aneckten, sich wehrten.
Einen solchen Fall aus den 1950er Jahren schildert der Ostschweizer Kuno Bont in seinem Spielfilm Das Deckelbad. Die alleinerziehende Bergbäuerin Katharina Walser (Simona Specker) aus dem Österreichischen verdingt sich als Magd und Serviertochter in einer Bergbeiz, hoch über dem Rheintal. Sie ist alleinerziehend, fesch, selbstbewusst und lebenstüchtig, bis der Wirt sie vergewaltigt und in Verruf bringt. Tres Tannbühler (Gian Rupf), "Wilderer" und Kandidat für den Wildhüterposten, nimmt sich der missliebigen Frau an, liebt sie, heiratete sie. Sie leben auf Distanz zum Dorf – glücklich, bis Katharinas Bub beim Holzfällen tödlich verunglückt.
Tres wird beim Wildern erwischt und ins Gefängnis gesteckt. Dem Gemeindeammann Lukas Gantenbein (Hans-Peter Ulli) ist die selbständige Katharina ein Dorn im Auge. Er lässt sie enteignen, nimmt ihr die Kinder weg, die in ein Waisenhaus eingewiesen und "entsorgt" werden. Dem Wahnsinn halb nah, wird sie aufgegriffen und auf Gantenbeins Betreiben in eine psychiatrische Anstalt gesteckt – für zehn Jahre. Hier wird die Frau entmündigt, gemassregelt und in das so genannte Deckelbad gesteckt: Sie muss stundenlang in einer Badewanne zubringen, eingesperrt bis zum Hals unter einem Deckel. Als sie Mitte der Fünfzigerjahre auch dank des Dorfpolizisten (Jaap Achterberg) endlich freikommt, ist sie über 40 Jahre alt und ein gebrochener Mensch.
Das düstere Bergdrama ist in einer Reihe zu sehen mit Verdingbub oder Die schwarzen Brüder. Nur wird hier nichts beschönigt oder entschuldigt. Die Geschichte offenbart, dass in unserer Gesellschaft Menschen bis Anfang der Achtzigerjahre aus dem Verkehr gezogen wurden, weil sie einen schlechten Leumund hatten, verleumdet wurden oder schlicht anders waren. In drei Kapiteln schildert Bont in eindrücklichen Bergbildern und starken Szenen wie eine Frau ausgegrenzt, versorgt beziehungsweise "entsorgt" wird. Im ersten Kapitel wird Katharina Gewalt angetan, im zweiten erlebt sie eine glückliche Zeit und im dritten ist sie Menschen ausgeliefert, die Macht über sie haben – von Amtswegen und von medizinischer Seite im Irrenhaus. Ein Schweizer Film: ungeschminkt, kompromisslos, düster, aber stimmig und ergreifend.
Dein Film-Rating
Kommentare
Ein griechisches Drama ist leichter zu ertragen, das war schon lange her! Aber die Wahrheiten aus unserer Schweiz in der "guten" alten Zeit verpflichten einem zur Auseinandersetzung!
Super und erst noch gut gemacht!
DER Film kommt authentisch daher, und die Zeit von anno dazumals wird realistisch dahergestellt, nur die Filmmusik ist nervtötend.
Sehr eindrücklicher Film mit grossartigen Bildern. Kuno Bont ist damit ein grosser Wurf gelungen
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