CH.FILM

Der Goalie bin ig Schweiz 2014 – 92min.

Filmkritik

Ernst im Glück

Michael Lang
Filmkritik: Michael Lang

Ernst, ein Mittdreissiger, wird Goalie genannt. Er ist ein Hängertyp, aber weit mehr ein gewitzter Kerl, der sich nicht verbiegen lässt. Nach einer Haftstrafe will er sein Dasein ordnen, beginnt mit den Aufräumarbeiten auf der Müllhalde einer verkorksten Existenz und wird zum lakonischen Glückssucher. Marcus Signer verkörpert diesen Helden mit Fehl und Tadel grandios, in der vortrefflichen Verfilmung des Mundart-Buchbestsellers von Pedro Lenz.

Regiefrau Sabine Boss und Ko-Autorin Jasmine Hoch haben eine intelligente, dramaturgische Film-Architektur entworfen, die dem Esprit der Romanvorlage erstaunlich gerecht wird. Vorwiegend in Langenthal gedreht (wo Lenz biographische Wurzeln hat), wird mit zünftigem Lokalkolorit garniert berichtet, wie Goalie auf Bekannte und Freunde trifft und dabei feststellen muss, dass ihn seit Jahre exakt die wenigen übers Ohr hauen, denen er vertraut hat. Das tut verdammt weh.

Dass sich Goalie zudem in die Kellnerin Regula (Sonja Riesen, feinsinnig) verknallt, entspannt die Lage nicht wirklich; die herbe Schönheit wirkt in Liebesdingen eher unentschlossen - vorsichtig gesagt. Doch Goalie hat Nehmerqualitäten, kassiert einen Tiefschlag nach dem andern, geht aber nicht auf die Bretter. Er reisst sich am Riemen und findet, eine wunderbare Idee, ausgerechnet im misstrauischen Ortspolizisten Gross (Andreas Matti, toll) einen Seelenverwandten.

Pedro Lenz (der am Drehbuch mitwirkte) weiss, wie Szenen-Figuren ausgestattet sein müssen. Auch die kleinen, die in jeder guten Story oft machtentscheidend sind. Dem trägt Sabine Boss Rechnung. Sie dirigiert ihr tolles Darstellerensemble elegant und verführt etwa Pascal Ulli, Thomas U. Hostettler, Michael Neuenschwander oder Rebecca Indermaur zu kernigen Auftritten.

Der Goalie bin ig ist ein unterhaltsamer Film, der ohne "Actionschischi" auskommt. Weil er dafür fein durchwirkt ist mit plausiblen Milieuabbildungen (die nie penetrant erscheinen) und umflort von einer hintergründigen, bildhaften Komik, wie sie schon in der träfen Schreibsprache von Lenz verortet ist.

In Rückblenden spielen übrigens fussballspielende Buben eine Schlüsselrolle. Dafür wurde, hübsches Detail, der Ex-Profi Gürkan Sermeter als Coach engagiert, und die Kultband Züri West steuerte den Titelsong bei. Es passt halt, in diesem unprätentiösen, charmanten Werk, das zudem universell funktioniert und berührt: Porentief authentischen, herznah optimistischen Typen wie Goalie begegnet man überall auf der Welt. So präzis gezeichnet wie in Der Goalie bin ig aber noch immer zu selten, im Schweizerfilm. Chapeau!

15.02.2024

5

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Kommentare

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gpluess

vor 6 Jahren

Einer der besten Schweizer Filme in den letzten paar Jahren.


stoneage

vor 9 Jahren

Marcus Signer istein fantastischer Schauspieler der es versteht sich in eine Rolle bis in die letzete Faser einzufühlen und in ihr zu versinken. Die Schweuz kann sich glücklich schätzen ein solches Talent zu haben.

Nicht zuletzt seinetwegen, sollte man sich diesemn Film ansehen!!


weinberg10

vor 9 Jahren

Eine sehr stimmige Geschichte, die so hätte passieren können. Vor allem gibt es weder ein Happy- noch ein Schauerende. Und die Musik überzeugt mich mit den extra komponierten CH-Songs sehr. Nun verstehe ich auch den Züri-West-Text des Titelliedes noch besser.


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