El tiempo nublado Paraguay, Schweiz 2014 – 92min.
Filmkritik
Zeit der Verantwortung
Eine Frage der Verantwortung, der Zuneigung und des Gewissens: Eine junge Frau hat ihre Mutter und Paraguay verlassen und ist in die Schweiz gezogen. Jetzt braucht die an Parkinson leidende Mutter ihre Hilfe. Ein sehr persönlicher Dokumentarfilm von Arami Ullón.
So oder so: Die Entscheidung ist einschneidend. Als junges Mädchen musste Arami ihre Mutter Mirna Villalba betreuen, die an Epilepsie und Parkinson leidet. Die Regisseurin Arami Ullón hatte sich 2005 entschlossen, sich abzunabeln. Sie zog in die Schweiz und fasste in Basel Fuss. Und nun der Hilferuf aus der Heimat. Die gutmütige Pflegerin Julia ist nicht mehr in der Lage, Mirna rund um die Uhr zu betreuen. Und so reist die Tochter zurück in ihre Heimatstadt Asunción.
Die 70-jährige Mutter ist auf fremde Hilfe angewiesen. Auch ihr Ex-Mann Luis kann (oder will) nur begrenzt Hilfe leisten. Arami ist gefordert und steht vor der Frage: Verantwortung und Verzicht statt eigene Karriere und Glück (in der Schweiz wartet ihr Partner Patrick)? Die Treffen mit ihrem Vater, der sich nach Aramis Geburt von seiner Frau getrennt hat, tragen nur marginal zur Entscheidungsfindung bei. Sein Trost: "Der Film wird dir helfen, zur Ruhe zu kommen."
Arami bemuttert also ihre Mutter, sucht nach einer Lösung in einem Altersheim. Vor allem muss sie ihre Mutter überzeugen, dass eine professionelle Betreuung die beste Lösung sei. Aber wie finanzieren? Der springende Punkt in diesem Konflikt-Notfall: Eltern müssen bereit sein, ihre Kinder aus der Verantwortung zu entlassen. Ausserdem mangelt es dem paraguayischen Gesellschaftssystem an Sozialleistungen: Es gibt kein Rentensystem oder finanziell tragbare medizinische Versorgung, speziell für Patienten mit psychiatrischen oder neurologischen Problemen. "Paraguay hat für seine älteren und kranken Bürger bisher keinerlei Massnahmen ergriffen", kritisiert Arami Ullón. In der (familiären) Gemeinschaft soll ein Netz von Verflechtungen und Verpflichtungen für Rückhalt sorgen. Etwa nach dem Motto: Kinder sind die beste Altersversicherung!
Diese sozialen Missverhältnisse liegen der Regisseurin am Herzen. Ihre sehr persönliche Dokumentation greift diese Problematik auf - es ist auch für die Filmautorin und Akteurin eine "bewölkte Zeit", wie der Titel sagt. Auch wenn manche Momente in ihrem gefühligen, aber nie gefühlsduseligen oder anbiedernden Film (sanft) inszeniert scheinen, besitzt der Film neben Authentizität viel Herz und Ehrlichkeit. Unverkennbar ist auch, dass Ullón das Filmen als Therapie diente. Dazu steht sie, aber sie will auch etwas mitgeben an Empathie, Verständnis und Lösungsansätzen.
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