#Zeitgeist USA 2014 – 119min.
Filmkritik
Mit erhobenem Zeigefinger
Achtung, in diesem Film geht es ums Internet. Und um moderne Kommunikation. Damit diesbezüglich auch ja kein Zweifel aufkommt, hatte der Verleih in Deutschland ihm sogar den Titel "#Zeitgeist" gegeben, tatsächlich inklusive des Hashtags. Im Original heißt der neue Film von Jason Reitman dagegen schlicht Men, Women and Children, was wohl ein bisschen zu wenig zeitgeistig war. Allerdings auch treffender, denn während es um den Zeitgeist bestenfalls am Rande geht, stehen Männer, Frauen und ihre Kinder im Zentrum des Geschehens.
Ausgehend von einem Roman des Amerikaners Chad Kultgen erzählt Reitman in miteinander verwobenen Episoden die Geschichten von sieben Familien in einer texanischen Vorstadt. Hier ein Ehepaar (Adam Sandler & Rosemarie DeWitt), dessen Sexleben mit langweilig noch geschönt dargestellt wäre, und dessen Sohnemann in Sachen Online-Pornos eine etwas härtere Gangart einschlägt als der Vater. Dort eine Alleinerziehende (Judy Greer), die glaubt, den Showgeschäft-Ambitionen ihrer Tochter einen Gefallen zu tun, in dem sie auf einer Webseite erotische Fotos des Teenagers anbietet. Ebenfalls mit von der Partie: eine über-besorgte Mutter (Jennifer Garner), die derart besessen ist von den im Internet lauernden Gefahren, dass sie die Privatsphäre der Tochter (Kaitlyn Denver) beherzt ignoriert. Und ein nachdenklicher Schüler (Ansel Elgort), den nur eben dieses Mädchen sowie Videospiele aus seiner Isolation holen können, sowie eine schwer essgestörte Mitschülerin.
Immer wieder poppen in Men, Women and Children SMS-Nachrichten auf der Leinwand auf. Oder die Webseiten, auf denen die Protagonisten surfen, legen sich vorübergehend wie ein Schleier über das Geschehen. Zumindest was die Visualisierung von Kommunikation in unserer zusehends virtuellen Gesellschaft angeht, überzeugt Reitman also, denn so geschickt und stimmig wurde das Internet noch selten ins Kino übertragen. Je weiter der Film allerdings voranschreitet und klar wird, dass es hier eben doch mehr ums Zwischenmenschliche geht, desto mehr verliert der Regisseur sein Interesse an solchen Einfällen.
Das immens Enttäuschende an Men, Women and Children ist nun allerdings, wie Reitman dieses Zwischenmenschliche in Szene setzt. Von der Leichtfüßigkeit und dem Witz, die seine Oscar-nominierten Filme Juno und Up in the Air ausmachten, ist hier nichts mehr zu spüren, doch auch das Beißende von Young Adult sucht man vergeblich. Stattdessen zeichnet er plump und mit bevormundend erhobenem Zeigefinger eine Zustandsbeschreibung, wie sie unsubtiler und pessimistischer kaum sein könnte.
Alle Frauen betrügen und versagen als Mütter, alle Männer sind Weicheier, alle Teenager sind gestört und leiden. Nicht zwingend nur wegen, aber doch zumindest befeuert vom Internet und seinem Angebot an Perversionen. So in etwa scheint die Botschaft zu lauten, die der kanadische Filmemacher seinem Publikum mit auf den Weg geben will, bedeutungsschwanger untermauert durch einen bis zur Voyager-Mission zurückreichenden Off-Kommentar. Über den Zeitgeist – oder auch nur Männer, Frauen und Kinder – sagt all das herzlich wenig aus. Über den Regisseur, der sich an den eigenen Welterklärer-Absichten verhoben hat, dagegen umso mehr.
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