O Samba Deutschland, Schweiz 2014 – 82min.
Filmkritik
Lebensgefühl und Lebensausdruck
Samba ist nicht nur Karneval und Tanzstil, sondern eine Lebenseinstellung. Das versucht der Schweizer Georges Gachot in Bildern und Tönen darzustellen. Er taucht ein in die Welt der Samba-Musik, blickt hinter die Klischees. Sehr musikalisch, sehr lebendig und nahe an den Menschen.
Wer an Samba denkt, meint Brasilien, meint Karneval, Tanz, Hüftschwung, pulsierende Lebensfreude. Aber der lateinamerikanische Tanz, im 19. Jahrhundert von Sklaven aus dem Kongo, aus Angola in Brasilien eingeführt und entwickelt, ist vor allem Ausdruck eines Lebensgefühls, einer Haltung.
Der Dokumentarfilm des Schweizers Georges Gachot geht nicht nur der Musik, den Rhythmen nach, sondern auch den Menschen, die den Samba geprägt haben oder die Samba prägten. Da ist vor allem der 78-jährige charismatische Musiker, Komponist und Sänger Martinho da Vila. Ihn begleitet das Filmteam (mit Kameramann Pio Coradi) von der Sambaschule Vila Isabel in Rio de Janeiro zu seinem Heimatdorf und nach Paris, wo er zusammen mit Nana Mouskouri sein berühmtes Lied "Canta, canta mi gente" einstudiert hat.
Der Aktivist hatte 100 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei das Programm "Kizomba – das Fest der Rasse» initiiert. Er ist der gutmütige Patron und Prophet einer Samba-Philosophie, die mitten im Leben steht. Lust und Leid, Trauer und Vergnügen stehen in seinen Liedern nebeneinander, sie bedingen sich. Auch bei traurigen Liedern sollen die Menschen ihr Vergnügen haben, mein Martinho. "Sie sollen lachen und weinen!"
Und so bewegt sich der Film zwischen dem Simba-Löwen vom Umzugswagen und Strassenfegern, Glitter am Karnevalsumzug bis zum Abfall und zur Armseligkeit in den Favelas. Es gibt nur Karnevalseinsprengsel - im Mittelpunkt stehen Musik und Menschen. Dabei leistet die Dokumentation auch Aufklärungsarbeit – zumindest für unsere Breiten. Etwa darüber, dass die Sambista einst als Gauner verschrien waren. Die Sambamusik mit ihren afrikanischen Wurzeln ist längst etabliert, auch kommerzialisiert. Sie gehört zu Brasilien wie der Zuckerhut und Fussball. Der heutige Samba, auch das verdeutlicht Georges Gachot, hat nur entfernt etwas mit der ursprünglichen Musikform zu tun. Samba ist im Grunde kein Paartanz, sondern ekstatisches laszives Wirbeln der Hüften, ein Vor- und Rückbewegen des Oberkörpers. Für Sambistas wie Martinho ist Samba mehr, nämlich eine Identifikation, ein Bekenntnis zur brasilianischen Eigenheit, ein Lebensstil.
Der Film selbst bildet ab, erläutert und ist nahe an den Menschen, leider springt der Funke nur selten über. Zu sehr wirkt er wie eine Fernsehreportage - wie eine «Sternstunde» auf der Leinwand. Aber auch das kann zum Seh- und Feel-Good-Erlebnis werden.
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SONDERVERANSTALTUNG
Am Sonntag, 30. März 2014 | 11. 00 Uhr | kult. kino camera
im Anschluss Publikumsgespräch mit Regisseur Georges Gachot
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