St. Vincent USA 2014 – 103min.
Filmkritik
Nichts ist ihm heilig
Bill Murray grantelt in St. Vincent als asozialer Kriegsveteran, der unverhofft zu einem Freund kommt.
Die Filmindustrie hat den Typus Aussenseiter bereits in derart vielen Werken zentriert, ein eigenes Genre stünde ihm längst zu. Auf der Leinwand finden die Mauerblümchen entgegen aller Widrigkeiten Liebe und Anerkennung. Vielfach verfallen sie dem Wahn. Oder aber sie verbünden sich mit ihresgleichen, generationenübergreifend gar. Ob sich das jemals eindringlicher als bei Harold and Maude vollzogen hat, sei an dieser Stelle bezweifelt.
St. Vincent setzt seine inhaltliche Energie ebenfalls durch die Bekanntschaft zweier Aussenseiter frei. Oliver (Jaeden Lieberher) siedelt mit seiner Mutter Maggie (Melissa McCarthy) in eine neue New Yorker Nachbarschaft um, neben das gammelige Heim mit dem gammeligen Cabrio vornedran, das einem vor sich hin gammelnden Vietnamveteranen gehört: Vincent. Der verfolgt drei Hobbys mit Leidenschaft: 1. Geld verzocken, 2. Saufen wie ein dehydriertes Kamel und 3. im Stripclub abhängen, wo seine Freundin/Prostituierte Daka (Naomi Watts) sich schwanger an der Stange abmüht.
Oliver ist schmächtig und still, was seiner Integration in die Schulklasse nicht förderlich ist. Daheim fehlt ihm die Mutter, die nach der Scheidung alleine für den Unterhalt aufkommen muss. Bald wird also der verkommene Nachbar die praktikabelste Alternative einer Aufsichtsperson. Die Zeit will es, dass Oliver und Vincent sich tatsächlich freundschaftlich annähern. Bis zwei schicksalhafte Ereignisse Vincents Misanthropie stärker denn je auflodern lassen.
Bill Murray ist ein Komiker vor dem Herrn, der in der Vergangenheit immer dann Sternstunden bot, wenn er seine Figuren in den Mantel des Sarkasmus hüllen durfte. Vincent scheint ihm massgeschneidert, diese rassismusbereinigte Slacker-Variante zu Clint Eastwoods Grantler aus Gran Torino. Nur zu offensichtlich ist es, wie sich Murray hier wohl fühlt als polternder Exzentriker, der seinen weichen Kern schussfest auspanzert – ganz als stünde der Mann immer noch auf dem Schlachtfeld in Südostasien.
Das klingt ernst, und das ist es auch. Kinodebütant Theodore Melfi modelliert deshalb in das Gesicht seiner Komödie viele strenge Züge ein. Das Dilemma: Als Komödie ist St. Vincent all das, was es im Film-Trailer zu sehen gibt, und nicht viel mehr. Auf der Drama-Ebene wiederum – die interessanterweise von Melissa McCarthy stärker mitgestaltet wird als die humorvolle – wagt sich Melfi alles andere als kühn in die menschlichen Abgründe seiner Hauptfigur vor. Im Sinne einer Konsensfindung polstert er seinen Film bestens aus, auf das man sich ja keine Druckstelle im Gemüt holt. Bereits lange bevor das beschwingte Ukulelen-Liedchen erklingt, hat man die unschöpferische Routiniertheit dieses handzahmen Rührstücks durchschaut. Schade ist es um Murray, der in solchen Filmen sein Talent vergeudet.
Dein Film-Rating
Kommentare
Gut gespielt aber einen so schrecklichen heruntergekommenen Bill Murray würde ich mir nicht mehr antun.
Vor allem das Zusammenspiel zwischen Murray und Lieberher ist wunderbar und der Film enthält immer wieder herrliche Momente, jedoch muss man ankreiden, dass er alles worauf sich die von "St Vincent" zuspitzt, letztendlich auf recht dürftige Art und Weise auflöst. Das ist ein kleiner Makel.
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