Still Alice - Mein Leben ohne Gestern Frankreich, USA 2014 – 101min.

Filmkritik

Frühes Vergessen

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Dass sie definitiv zu den größten amerikanischen Schauspielerinnen ihrer Generation zählt, stellt Julianne Moore in der Romanverfilmung Still Alice eindrucksvoll unter Beweis. Einem leisen, aber aufwühlenden Drama, das von einer 50-jährigen Alzheimer-Patientin handelt.

Anfangs sind es nur Kleinigkeiten wie eine Wortfindungsstörung, die die anerkannte Linguistin Alice Howland (Julianne Moore) stutzig machen. Mit der Zeit kommen allerdings weitere Auffälligkeiten hinzu. Als sie sich aus Angst vor einem Gehirntumor in ärztliche Behandlung begibt, wird Alice schon bald mit einer niederschmetternden Diagnose konfrontiert: Sie leidet an einer vererbbaren Frühform der Alzheimer-Krankheit und muss sich auf eine rapide Verschlechterung ihrer Verfassung einstellen. Ein Schock für ihren Ehemann John (Alec Baldwin) und ihre drei erwachsenen Kinder. Während der Alltag zunehmend beschwerlicher gerät, nähert sich vor allem Tochter Lydia (Kristen Stewart) ihrer erkrankten Mutter an.

Die Grundlage für den von Richard Glatzer und Wash Westmoreland inszenierten Spielfilm liefert das Romandebüt der amerikanischen Neurowissenschaftlerin Lisa Genova, die ihren Stoff 2007 selbst veröffentlichte, einige Zeit später jedoch die Rechte an den Großverlag Simon and Schuster verkaufte. 2009 kam ihr Buch schließlich auf herkömmlichem Weg in den Handel und hielt sich insgesamt mehr als 40 Wochen auf der Bestseller-Liste der "New York Times".

Als das auch privat verbundene Regiegespann Ende 2011 das Angebot für eine Leinwandadaption erhielt, zögerten Glatzer und Westmoreland zunächst, da bei Ersterem einige Monate zuvor die Nervenkrankheit ALS entdeckt wurde. Die feinfühlig erzählte Geschichte fesselte die beiden Filmemacher aber so sehr, dass sie alle Bedenken über Bord warfen. Zum Glück, darf man mit Fug und Recht behaupten. Denn damit findet ein nachdenklich stimmendes Drama seinen Weg ins Kino, das ohne sentimentale Ausschweifungen von einem unaufhaltsamen Identitätsverlust erzählt.

Zumeist aus der Nähe nimmt die Kamera die Protagonistin in den Blick und schafft so die intime Atmosphäre, die ein derartiges Schicksal unbedingt erfordert. Statt die Handlung dramatisch aufzubauschen, setzt das von den Regisseuren verfasste Drehbuch auf ruhige, konzentriert eingefangene Momente, in denen die Krankheitserscheinungen manchmal gerade in ihrer Beiläufigkeit absolut ergreifend wirken. Am eindringlichsten ist der Film immer dann, wenn das keineswegs einfache Mutter-Tochter-Verhältnis von Alice und Lydia in den Mittelpunkt rückt und mit der Zeit, bei aller Tragik, sogar ein wenig Lebensmut verströmt.

19.02.2024

4

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Kommentare

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8martin

vor einem Jahr

Was für ein wunderbarer Titel für einen wunderbaren Film. Natürlich ist Alice ‘immer noch‘ Alice. Sie ist immer noch da, aber wie? In was für einem Zustand lebt sie? Die Regisseure Glatzer (†) und Westmoreland zeigen den graduellen physischen und psychischen Verfall eines Menschen. Sie gehen fast dokumentarisch ans Werk, ohne den üblichen Schmus, der sonst um dieses Thema gemacht wird. Dabei geht es natürlich nicht ohne Emotionen ab. Doch die sind so dezent gesetzt, mal mit entwaffnender Ehrlichkeit, dann wieder mit liebevoller Hilflosigkeit, auch mal kantig oder sexy, dass die Rührung steigt, bis die Träne quillt. Besonders bewegend, wenn in klaren Schüben, Alice die Erkenntnis kommt über den Verlust der geistigen Kapazität.
Erst fehlen nur Begriffe im Vokabular, dann kommt es zu motorischen Störungen, schließlich gibt es Orientierungsschwierigkeiten und in der Endphase nur noch fast unverständliche Laute. Das letzte Wort von Alice ist ‘LIEBE‘. Und so findet der Film auch noch einen genialen Schluss.
Julianne Moore in eine ihrer größten Rollen, als Mutter, Ehefrau und Wissenschaftlerin. Sie rührt buchstäblich die besagten Steine zu Tränen. Aber auch John (Alec Baldwin) – erst in letzter Zeit in diesem Genre anzutreffen – schafft den Spagat zwischen Karriere (Leben geht weiter!) und liebevollem Ehemann. Manchem mag er nicht liebevoll genug sein. Die Kinder sind gut in Szene gesetzt, ihre Probleme passend in die Handlung eingebaut. Dieses ‘natürliche Umfeld‘ hält auch in gewisser Weise die Emotionen in Schach und umrahmt einen ganz großen Film, mit einer ganz großen Hauptdarstellerin (Oscar!).Mehr anzeigen


cathline2

vor 5 Jahren

Einfühlsam und berührend. Julianne Moore spielt Alice sehr autentisch.


Janissli

vor 7 Jahren

Tragische Geschichte die sehr aus dem Leben gegriffen ist, aber daher auch zeitweise lahm daher kommt. Das einzige Highlight/der Höhepunkt war ihre Rede vor den anderen Alzheimer Patienten. Auch schauspielerisch scheint die Leistung ziemlich banal.


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