45 Years Grossbritannien 2015 – 95min.
Filmkritik
Ehe unter Einfluss
Der Brite Andrew Haigh verhandelt erneut die Komplexität der Liebe. Nach dem One Night Stand zweier Männer in Weekend seziert er nun in 45 Years den jähen Wandel einer gestandenen Ehe. Mit Charlotte Rampling und Tom Courtenay in den Hauptrollen wird daraus mehr als ein Ehedrama.
Kate (Charlotte Rampling) und Geoff (Tom Courtenay) befinden sich mitten in den Vorbereitungen ihres 45. Hochzeitstags, als sie die Nachricht erhalten, dass die einstige Partnerin von Geoff in einem Gletscher in den Schweizer Bergen geborgen worden ist. Dort lag die Leiche seit dem tragischen Unfall vor 50 Jahren eingefroren und bringt nun postum das Eheleben der Mercers durcheinander: Kate scheint nicht wirklich von den Ereignissen von damals gewusst zu haben und beginnt, an der Wahrhaftigkeit der Liebe ihres Ehemanns zu zweifeln. Noch pragmatisch stellt sie zu Beginn fest, sie könne ja nicht verärgert über etwas sein, das vor ihrer Liebe stattfand. Aber dennoch…
"Aber dennoch" wird Kate im Verlauf des Films noch öfters verlauten lassen und so ihr Dilemma pointiert und aufs Wesentliche komprimiert zusammenfassen. Denn natürlich hat die Geschichte von damals nichts mit ihrer Ehe von Geoff zu tun, aber eben dennoch stellt sie sich so manche Frage. Diese lassen Kate und auch Geoff nun bis zum bevorstehenden Hochzeitstag in einer Woche nicht mehr los. Tag für Tag bröckelt ihre Ehe leise in einen anderen Zustand, von dem bis zum Ende weder Zuschauer noch Darsteller wissen, wie dieser aussehen wird.
Der Brite Andrew Haigh zeigt diesen Ehealltag im Ausnahmezustand mit scharfer Beobachtungsgabe und subtilem Humor. Jede Geste und jeder Dialog sitzen in 45 Years wie massgeschneidert und kommen dank der virtuosen Leistung der beiden Hauptdarsteller doch wahrhaftig und natürlich rüber. Zusätzlich verleihen die beiden Ikonen der britischen Jugendkultur zusammen mit den zahlreichen Popsongs der 1960er-Jahre dem Film eine zusätzliche Ausdruckseben. Nun ins Alter gekommen, spielen sie hier auch ein Stück weit ihre eigene Geschichte. Ihre Filme sind heute in den Gletscher der Filmgeschichte eingefrorene Geschichten, ihr Leben als Mensch jedoch ging weiter.
45 Years ist ein Film des Off: Fast alle einschneidenden Ereignisse im Leben von Kate und Geoff - wie ihre 45 Jahre Ehe oder der Unfall in den Schweizer Bergen - fanden vor dem Film statt oder werden sich nach dem Film zutragen. Neben den Schauspielern vollbringt hier Andrew Haigh mit Regie und Drehbuch eine überzeugende Leistung, und entreisst das fragile Sujet gekonnt dem Kitsch und der Trivialität. Bereits in seinem vorherigen Film Weekend bewies der Brite, dass er ein Auge für die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen hat, welche er in simplen Gesten und berührenden Geschichten einzufangen verstand. Nach dem One Night Stand eines Wochenendes nun die Tiefe einer langjährigen Ehe, deren Tragödie und Schönheit er in mentalen Bilder vor unseren Augen auferstehen lässt. Erneut neunzig Minuten intensives Leben.
Dein Film-Rating
Kommentare
Etwas zu langatmig und zu gemächlich erzählt aber das Thema: die Hinterfragen einer Ehe ist feinsinnig inszeniert.
Überzeugende Schauspieler, aber die Story hat mich weder gepackt noch die Reaktionen überzeugt.
Ein sehr emotionaler, tiefgehender Film mit grossartigen Schauspielern. Im Nachhinein denke ich noch oft daran und wie ich es vielleicht gemacht hätte. Achtung: nicvhts für Action-Freaks...
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