Amnesia Frankreich, Schweiz 2015 – 95min.
Filmkritik
Im Ton vergriffen
Ein junger DJ und eine ältere, alleinstehende Frau freunden sich auf Ibiza an. Doch die Dame trägt ein Geheimnis mit sich.
Ibiza, Anfang der 90er Jahre. Der Elektro-DJ Jo (Max Riemelt) ist auf die Insel gezogen, um neue Sounds zu entwickeln und seine Karriere aufzubauen. Etwas unterhalb seines Domizils lebt die vierzig Jahre ältere Martha (Marthe Keller), mit der er sich bald anfreundet. Zusammen verbringen sie viel Zeit: Sie kochen, wandern, musizieren und fahren auf die See miteinander und inspirieren sich dabei gegenseitig.
Jo fallen mit der Zeit jedoch einige Eigenarten bei Marthe auf. So etwa macht sie um alles, was Deutsch ist, konsequent einen Bogen. Und das Cello, das sie prominent in der Stube stehen hat, rührt sie partout nicht an. Als Jo dahinter kommt, dass Martha Deutsch reden kann, gesteht sie ihm ihre tiefe Scham, eine Deutsche zu sein. Die Gräueltaten der Nazis im Zweiten Weltkrieg konnte sie nie verwinden. Für den nachgeborenen Jo ist diese Verweigerung schwer nachvollziehbar – seiner Faszination für die Frau tut dies jedoch keinen Abbruch.
Martha ignoriert auf ihre eigene Weise ihre Herkunft. So tat es auch die Mutter von Regisseur Barbet Schroeder, die ihre Muttersprache Deutsch einst in einem Akt des Protestes niederlegte. Schroeder, der in der Schweiz aufwuchs und eine beachtliche Karriere in Hollywood hinlegte, übernahm für Amnesia diese Erfahrung und baute darum eine Geschichte, die von unausgesprochener Liebe und unterdrückten Erinnerungen, von Anklage und Vergebung erzählt. Inmitten des schroff-schönen Ibizas der Neunziger tauchen der Reihe nach auch Marie Leuenberger, Joel Basman und Bruno Ganz auf. Viel schauspielerische Hochkarätigkeit also.
Im Gesamten jedoch ist Amnesia ein enttäuschender Film geworden. Das fängt damit an, dass eine richtige Einführung fehlt, um den Bezug zu den Personen langsam aufzubauen. Als irritierendes Detail stellt sich auch bald die Sprache heraus: Es wird in Englisch geredet, doch ignoriert Jo den deutlichen deutschen Dialekt in Marthas Englisch komplett. Plausibel erscheint dies nicht.
Die altbackene Fernsehfilm-Optik – vielleicht ja bewusst der Filmgegenwart angepasst? – tut das ihre dazu, dieses Werk im Wert zu schmälern. Das wäre noch das eine, wären da nicht zahlreiche Szenen hüftsteif und mitunter einfach schlecht geraten (Der Tiefpunkt: Der Gig in der Disco). Schauspieltalente wie Marie Leuenberger und Joel Basman sind hier lediglich beigemischt, sie haben konturenlose Figuren zu spielen. Stattdessen gilt es, Bruno Ganz als Grossvater und viel schlechte Elektromusik zu erdulden.
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