Der Staat gegen Fritz Bauer Deutschland 2015 – 105min.
Filmkritik
Packende Geschichtslektion
In der BRD der Nachkriegszeit wollte man die Nazi-Vergangenheit lieber verdrängen als sich ihr stellen und diese dunkle Zeit aufarbeiten. Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Burghart Klaußner) liess sich von dieser Stimmung und Repressalien aber nicht beeindrucken und versuchte Kriegsverbrecher gegen alle Widerstände aufzuspüren. Lars Kraume setzt diesem engagierten Juristen in seinem in Locarno mit dem Publikumspreis ausgezeichneten Spielfilm ein eindrucksvolles Denkmal.
Mit schwarzweissen Archivaufnahmen von Fritz Bauer, in denen der hessische Generalstaatsanwalt betont, dass die jungen Deutschen bereit seien, die Wahrheit über den Nationalsozialismus und seine Täter zu erfahren, eröffnet Lars Kraume seine packende Geschichtslektion Der Staat gegen Fritz Bauer. Erst danach setzt die konkrete, inszenierte Handlung dramatisch mit einem beinahe tödlich endenden Unfall Bauers ein.
Wie Giulio Ricciarelli in Im Labyrinth des Schweigens zeichnet auch Kraume atmosphärisch dicht das Bild einer BRD der späten 1950er Jahre, in der die Bevölkerung von der Nazizeit nichts wissen will und sich nur für den wirtschaftlichen Aufschwung interessiert. Im Gegensatz zur fiktiven Geschichte Ricciarellis, bei dem Bauer nur im Hintergrund auftritt, hält sich Kraume stärker an die Fakten und durchleuchtet auch die politischen Hintergründe. Plastisch zeigt er auf, wie man Bauer, der mit mehreren jungen Staatsanwälten Nachforschungen über Nazi-Größen, speziell über Josef Mengele, Martin Bormann und Adolf Eichmann anstellt, einerseits von Seiten der Behörden, wo man nur kann, Steine in den Weg legt und ihm andererseits die Öffentlichkeit mit anonymen Briefen droht.
Die Grenzen zwischen Gut und Böse sind klar gezogen, Zwischentöne findet man in Lars Kraumes Film kaum, aber sorgfältig recherchiert und packend zeichnet er Bauers Bemühungen um die Verhaftung Eichmanns nach, der eine zentrale Rolle bei der Organisation des Holocaust spielte. Auf die danach folgenden Frankfurter Auschwitz-Prozesse wird dagegen nur noch im Nachspann hingewiesen.Unterstützung erhält Bauer, den der gewohnt souveräne Burghart Klaußner auch mit einer kräftigen Portion trockenen Humors spielt, allein vom – fiktiven – jungen Staatsanwalt Karl Angermann (Ronald Zehrfeld), mit dem Bauer auch die Homosexualität verbindet, die beide nur im Geheimen leben können.
So zeichnet Kraume nicht nur präzise und dicht ein Nachkriegsdeutschland, in dem führende Nazis immer noch oder schon wieder an allen Schalthebeln von Wirtschaft und Politik sitzen und ihre Freunde von einst decken, sondern auch eine restaurative Gesellschaft, in der gleichgeschlechtliche Liebe noch als abartig betrachtet und rigoros bestraft wird.
Mehr Freiheiten gab es damals nur beim Rauchen, denn so viel wie hier wurde wohl schon lange nicht mehr in einem Film nicht nur im privaten Raum, sondern auch in Amtsstuben gequalmt. Durchlüften lässt Bauer aber nicht deshalb mehrmals, sondern schon viel mehr wegen der beklemmenden Verdrängung und Vertuschung, die hier gepflegt wird. Ein gesellschaftlicher Aufbruch wird aber erst zehn Jahre später folgen.
Dein Film-Rating
Kommentare
Solide mit kleinen Schwächen.
Das Grauen, hinter dem Bauer her ist, wird nicht wirklich spürbar.
Doppelmoral und Unterdrückung kommt hingegen sehr gut zum Zug.
Nachtrag: Storymässig ist der Film gleich wie der Film"Im Labyrinth des Schweigens" und die Schwulen Szenen erinnern an den Film "Der Kreis", und somit kommt "Der Staat gegen Fritz Bauer"als Filmmix dessen 2 Filmen daher.
Eintrückliches Geschichts Movie das grandiose von Burghardt Klaussner gespielt ist. Durch den Film Der Staat gegen Fritz Bauer oder auch den Film aus dem Jahre 2014 Im Labyrinth des Schweigens(in diesem Film wird Fritz Bauer nur am rande erwähnt) wird das geschehen nicht vergessen. Im Labyrinth des Schweigens wird als Vorschlag für den Oscar 2016 eingerichtet in der Sparte Auslands Film.… Mehr anzeigen
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