Floride Frankreich 2015 – 110min.
Filmkritik
Der schusselige Monsieur Lherminier
Ein älterer Herr amüsiert die einen, ärgert die anderen, und denkt bei beidem unablässig an die Tochter in Florida. Eine Paraderolle für Jean Rochefort.
Claude Lherminier (Jean Rochefort) ist hat mit seinen über 80 Lebensjahren einige Ticks entwickelt. So kommt ihm kein Milchreis ins Haus, kein Wein ins Glas, und schon gar kein Orangensaft, der nicht aus Florida stammt. Denn im warmen, paradiesischen US-Bundesstaat wohnt die geliebte Tochter Alice, die ihn – so ist er überzeugt – an seinem Geburtstag besuchen wird.
Seine andere Tochter, Carole (Sandrine Kiberlain) blieb in Frankreich und übernahm vor Jahren die Führung der väterlichen Papierfabrik. Nebenbei hat sie genug damit zu tun, Haushaltshilfen für ihren Papa zu verpflichten. Länger als ein paar Wochen hält es nämlich niemand bei Claude aus, der Diebstähle und Stürze fingiert und mit Anzüglichkeiten verärgert. Und es geht noch dreister: Als sein ehemals bester Freund stirbt, crahst er die Trauerfeier, mit der klaren Aufforderung, ihn ganz sicher nicht auf dem Friedhof zu bestatten, auf dem er schon für sich einen Grabplatz reserviert hat.
Dieses unflätige Verhalten mag nach einem verbitterten Greis klingen. Doch ist Claude grundsätzlich ein liebenswerter, einnehmender Mensch, dem der Schalk im Nacken sitzt. Als Zuschauer jedenfalls darf viel über den schusseligen Herrn gelacht werden, etwa wenn er sich wieder einmal in einer ganz anderen Zeitperiode wiederfindet, oder er die Geduld der Stewardess aufs Äusserste strapaziert. Von Beginn weg schiebt Regisseur Philippe Le Guay regelmässig diese Flugzeug-Szenen ein, die in der Story quer zu liegen kommen, sich gegen Ende des Films aber elegant und schlüssig auflösen. Entbehrbar sind dagegen die persönlichen Flashbacks zurück in seine Jugendzeit, ist doch der ernste Unterbau der Figur bereits im Präsenz der Erzählung offenkundig.
Unentbehrbar ist für diesen Film jedoch Jean Rochefor, der Claude ungemein nuanciert wiedergibt. Wenngleich nie eine Garantie besteht, dass jeder Zuschauer auf eine solche Figur anspricht, so ist Rocheforts Auslotung, die sein komödisches wie sein dramatisches Talent in gleichem Masse fordert, sicherlich die maximale. Und auch Le Guay ist ein Kränzchen zu winden, kann er doch der beträchtlichen Ansammlung an Altersfilmen, die in den letzten zehn Jahren fast schon ein Genre für sich gebildet hat, doch noch ein originelles Werk hinzufügen. Floride gewinnt den Zuschauer zuerst mit Witz, dann mit Herz und verbindet gekonnt Situationskomik mit emotionalem Tiefgang.
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Kommentare
Dies ist keine Komödie. Es ist ein Film über das Älter werden. Und vor allem ein Film über die Demenz und den Umgang der Familie mit der zunehmenden Demenz der Eltern (hier des Vaters) bzw. Grosseltern.
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