Fragments du Paradis Schweiz 2015 – 90min.
Filmkritik
Himmel oder Hölle – oder nichts
Gibt es das Jenseits, und wenn ja, wie sieht es aus? Stéphane Goël hat für Fragments du paradis Menschen nahe am Lebensende darüber interviewt. Eine trockene philosophische Auseinandersetzung? Gott sei Dank nicht.
Majestätische Felswände, so weit das Auge reicht. Begleitet von einem Grün, welches man sich selbst in der blühendsten Fantasie nicht intensiver vorstellen könnte. Sieht so das Paradies aus, das uns nach dem Tod erwarten könnte? Es ist auf jeden Fall das Paradies eines Mannes: des Vaters von Filmemacher Stéphane Goël. Gemeinsam steigt das Gespann zu dem bestimmten Ort hoch, an dem er einst seine Asche verstreut haben will.
Die Wanderung zieht sich als roter Faden durch Stéphane Goëls Doku Fragments du paradis. Die (unerwähnte) Vorgeschichte des Films: An einem Sommertag hatte der Vater dem Sohn von diesem Plätzchen erzählt, dessen genauere Lage man übrigens dem Abspann entnehmen kann. Als Goël später seinen Vater in ein Seniorenheim begleitete, und dort bald über die Frage diskutiert wurde, ob es nun ein Jenseits gäbe oder nicht, veranlasste das den Regisseur, filmtechnisch aktiv zu werden.
So fing er an, Menschen nahe dem Lebensende zu interviewen. In Close-ups und Schwarzweiss sitzen diese uns auf der Leinwand gegenüber: Bibelfeste und Atheisten, und so ziemlich jede Abstufung dazwischen. Sowie auch Angehörige anderer Religionen. Eine etwas jüngere Frau erzählt weiters von ihrer Nahtoderfahrung. Entsprechend heterogen sind die Vorstellungen zu einer der bedeutendsten spirituellen Fragen, die einher geht mit der anderen, noch grösseren: Gibt es Gott?
Welch trockene Prämisse, mögen da nicht wenige denken. Fragments du paradis aber entfaltet sich nicht im Ansatz als saftlose philosophische Vermutungs-Stafette. Unverblümt ehrlich, rückbehaltslos, erheiternd wie bewegend direkt schildern die Interviewten ihre Ideen über die Existenz bzw. Inexistenz eines Ortes, der bei seinen Fürsprechern uneingeschränktes Glück als kleinsten gemeinsamen Nenner sieht. Aus diesem Film spüren wir deutlich die Zuversicht dieser Menschen heraus, ihre Vorbehalte, ihre Ängste. Bei manchen Leuten mag dabei das persönliche Profil flach bleiben, bei anderen werden jedoch auch Hintergründe freigelegt, die ihren Vorstellungen zu Grunde liegen. Goël lässt sie einfach reden, und man hört da wirklich so gerne zu, dass man mit einigen dieser Leute am liebsten gleich selbst eine Konversation eingehen würde.
Zwischen die Interviews und die Wanderungssequenzen schiebt Goël wiederkehrend Super-8-Aufnahmen ein; Bilder aus den Fünfzigern, die von glücklichen Zeiten zeugen. Bilder aus dem Paradies auf Erden. Unscharf und mit übersättigten Farben, gehen sie visuell einher mit der diffusen Visionen eines Jenseits. Einzig die flüsternden Stimmen über diesen Einschüben und die eingestreuten Innen-Aufnahmen (in einem Sterbehaus?) wirken etwas überflüssig in einem Film, der trotz seiner Post-mortem-Fragestellung nur so vor Leben sprüht.
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