Genius Grossbritannien, USA 2016 – 104min.
Filmkritik
Immer wieder Syntax
Seit jeher schwankt das Kino zwischen Kunst und Kommerz, aber die spannendsten Momente sind oftmals die, in denen sich das Kino selbst hinterfragt und den komplexen Prozess des Entstehens eines Films sichtbar macht. Schwieriger hingegen ist es jedoch, kreative Mechanismen anderer Künste adäquat für die Leinwand zu adaptieren. Auch dem Berlinale-Wettbewerbsbeitrag Genius von Michael Grandage gelingt der Spagat zwischen den Medien nicht wirklich.
New York, späte 1920er Jahre. Bislang hat jeder Verlag das Manuskript des unbekannten Autors Thomas Wolfe abgelehnt. Von daher geht Wolfe davon aus, dass auch der renommierte Lektor Max Perkins, der u. a. Ernest Hemingway oder F. Scott Fitzgerald entdeckt hat, ihn abschreiben wird. Doch Perkins erkennt das literarische Potential in den losen Seiten und so beginnen die beiden Männer, den Roman in eine druckbare Form zu bringen – und kämpfen dabei um jeden Absatz. Als das Buch ein Erfolg wird, stürzen sie sich in das nächste Projekt. Aus Wochen werden Monate, doch mit jedem Kapitel, das sie redigieren, riskieren sie ihr Privatleben.
Mit Genius hat der Londoner Theaterregisseur Michael Grandage sein Kinodebüt vorgelegt. Grandage erzählt von der fruchtbaren Zusammenarbeit zweier Talente, die sich ohne Rücksicht auf Verluste in ihre Arbeit stürzen und sich stets daran reiben, wer – im wahrsten Sinne des Wortes – das letzte Wort hat. Colin Firth spielt den bedachten und weitsichtigen Lektor mit großer Ruhe und kleinen Gesten, während Jude Law als egomaner Exzentriker mit seiner enervierenden Art einen unversiegbaren Quell nervlicher Belastung darstellt.
Hin und wieder gibt der Film Einblicke in das bröckelnde Privatleben der beiden Männer, aber die meiste Zeit beobachtet er den stillen Denker Perkins und den Anti-Helden Wolfe bei ihrer Arbeit: Hier werden stapelweise Blätter durchgeackert, flüchtige Notizen gemacht, im Akkord getippt und sehr oft der Rotstift angesetzt. Denn im Fokus steht der kreative Prozess des Editierens, die Suche nach den richtigen Formulierungen. Und wenn nach endlosen Streichungen ein Absatz perfekt ist, setzen gern die musikalischen Streicher ein, die mit großem Pathos davon verkünden, dass hier ein geniales Stück Literatur geschaffen wurde.
Ein emotionaler Zugang zu den Protagonisten wird jedoch nicht hergestellt, einzig Nicole Kidman als eifersüchtige Geliebte kratzt mit ihrem Hang zum großen Drama immer wieder an der Tür des intellektuellen Elfenbeinturms. Denn Grandage geht es vor allem um die geistige Arbeit. Diesen Prozess mitzuverfolgen ist zwar durchaus interessant, aber auf Dauer dann ebenso öde, wie Papierkram abzuarbeiten. Überhaupt atmet der Film über weite Teile den Charme einer staubigen Schreibstube: die "Roaring Twenties" sind hier bereits vorbei, New York präsentiert sich in ausgewaschenen Farben und seltsam eindimensional. Und auch wenn F. Scott Fitzgerald hier in persona auftaucht, die Opulenz des Großen Gatsbys sucht man hier vergebens. Das mag dem Sujet angemessen sein, aber trägt nicht wirklich zum Unterhaltungswert bei. Und so porträtiert Genius zwei Genies, aber wirklich inspirierend ist ihre gegenseitige Inspiration nicht.
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Kommentare
Trotz guter Leistungen der Darsteller versandet die Story ziemlich und eigentlich steht Jude Law alias Thomas Wolfe stärker im Zentrum als Perkins, den der Film eigentlich portraitieren wollte. Law nervt auf Dauer mit seiner manisch-überdrehten Art...
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