CH.FILM

Journey in Sensuality Frankreich, Schweiz, USA 2016 – 58min.

Filmkritik

Die Schönheit des menschlichen Körpers

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Ruedi Gerber bringt in Journey in Sensuality die Skulptur-Pracht Rodins mit dem naturverbundenen, körperbetonten Ausdruckstanz von Anna Halprin zusammen. Der Titel hält was er verspricht: den Zuschauer erwartet ein sinnliches, ästhetisches Filmerlebnis.

Die Tänzerin Anna Halprin sowie die Auswirkungen der Bildhauer-Kunst Rodins auf ihr Tanz- und Artistik-Verständnis, stehen im Mittelpunkt der Doku von Ruedi Gerber. Halprin besuchte vor einiger Zeit das Pariser Rodin-Museum. Dort hinterließen die – von markanten Gesichtszügen und imposantem Ausdruck geprägten – Meisterwerke einen tiefen Eindruck bei ihr. Für sie verleiht Rodin dem Leben und der Menschheit eine ganz neue Hoffnung, die durch seine Werke auf besondere Weise ausgedrückt wird. Um dies auf ihre eigene Arbeit zu übertragen, unternahm sie mit Tänzern des Sea Ranch Collective eine Reise in die Natur Kaliforniens. Dort verbindet sie Naturverbundenheit und Rodins Einfluss zu einem körperbetonten Ausdruckstanz.

Der Berner Regisseur Ruedi Gerber ist seit langem fasziniert vom ereignisreichen Leben und vielseitigen künstlerischen Schaffen Anna Halprins. Sie gilt als eine der Vorreiterinnen im Bereich des experimentellen und rituellen Ausdruckstanzes. Zudem war sie eine der Ersten, die sich ausführlich mit der Wirkung von Tanz auf Körper und Gesundheit befasste. Sie glaubt seit jeher an dessen Selbstheilungskraft und arbeitete in Workshops und Projekten lange Zeit mit Aids-Patienten und krebskranken Menschen zusammen.

Journey in Sensuality gewährt einen intensiven und intimen Einblick in die künstlerischen Arbeitsprozesse von Halprin. Wie sie – stets voller Leidenschaft und Hingabe – mit den Tänzern spricht und ihnen ihr Verständnis vom erotischen Ausdruckstanz in Einklang mit der Natur zu vermitteln versucht, macht zwei Dinge deutlich: wie groß die Wirkung von Rodins Plastiken und Figuren auf sie waren und wie sehr die stets humorvolle alte Dame immer noch für den Tanz und die Kunst brennt. Das ist erstaunlich und auch ein Hauptaspekt, der den Film ausmacht: er widmet sich der Arbeit beider Personen, Rodins und Halprins.

Halprin ist auch der Ansicht, dass die Tänzer durch ihre an die Werke Rodins angelehnten akrobatischen Tänze und Bewegungen, sich selber besser kennenlernen. Jeder der Tänzer interpretiert ihre Vorgaben daher ganz individuell, mit viel Körpereinsatz. So entstehen oft spektakuläre und beeindruckende, immer aber hoch ästhetische und formvollendete Bewegungen, die harmonisch in die umgebende Natur (den Strand, das Wasser, die Bäume) eingebettet sind. Ein geschickter Schachzug von Regisseur Gerber ist auch, den Figuren der Tänzer die Original-Skulpturen von Rodin im Bild folgen zu lassen, um zu sehen, wie meisterhaft die Übertragung der steinernen Kunst auf den zumeist unbekleideten, menschlichen Körper gelingt.

23.05.2016

4

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